Gott oder Zufall?
Verhalten heranzieht und eine überholte Augenheilkunde gebraucht, kann er ein krankes Auge als Wegweiser zur inneren Finsternis und ein gesundes Auge als Beweis für inneres Licht benutzen.
Das Wort Jesu ist demnach überaus sinnvoll im Sinne einer antiken, mit Schwächen behafteten Heilkunde, und das veranschaulicht, wie biblische Texte – und nicht nur Bibeldeuter – in das Wissenschaftsverständnis ihrer Zeit verstrickt waren.
Die Wissenschaft im Dienst der Bibelinterpretation
Schließlich gibt es aber auch Gelegenheiten, bei denen die heutige Wissenschaft wertvolle Hintergrundinformationen und Interpretationsmuster für biblische Texte bietet, obwohl sie nicht leugnet, dass sie biblische Texte auch verschleiern kann. Bei dem voranstehenden Beispiel steht die moderne Wissenschaft vom Auge unserer Interpretation der Worte Jesu im Wege. Und zwar deshalb, weil wir unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Text mit hineinbringen und erwarten, dass sie vom Text reflektiert werden. Doch eigentlich bietet uns die Erforschung von Gesundheit und Heilwesen in der Bibel ein gutes Beispiel dafür, wie die heutige Wissenschaft sowohl ein Hindernis als auch eine Hilfe bei der Bibelinterpretation sein kann.
In der ganzen Bibel werden Jahwe, der Gott Israels, und Jesus als Heiler dargestellt, und die Erlösung selbst wird im Sinne einer Gesundung, einer Genesung und eines Gedeihens des Menschen beschrieben. Dieser Anspruch mag offensichtlich sein, doch die Häufigkeit dieser Thematik spornt zu besonderer Sorgfalt an, wenn man verstehen möchte, wie mit Gesundheit und Krankheit in Zusammenhang stehende Texte am besten interpretiert werden sollen. Zum Beispiel können unsere gewöhnlichen Kategorien des »Heilens« ausgeweitet werden, wenn wir einen Text wie Exodus 15,26 lesen: »Denn ich bin der Herr, dein Arzt« (siehe etwa auch 2 Könige 5,7. Jesaja 59,19). Dies deshalb, weil Jahwes Selbstzuschreibung sich unmittelbar dann ereignet, nachdem der Herr das Volk Israel aus Ägypten geführt hat, und nicht im Zusammenhang mit einer eher typischen Heilungsgeschichte steht.
Selbst im modernen Westen kann es schwer sein, die Begriffe »Heilung« und »Krankheit« zu definieren. Wenn sich »Krankheit« beispielsweise auf einen unerwünschten Zustand oder auf die Beeinträchtigung normaler Körperfunktionen bezieht – wer bestimmt dann, was »unerwünscht« oder »normal« ist? Bis zu einem oftmals nicht erkannten Grad liegt »Krankheit« im Auge des Betrachters, so dass die Identifizierung und Ätiologie von Krankheiten und die für sie erforderlichen therapeutischen Maßnahmen normalerweise auf dem kulturellen Verständnis von Gesundheit beruhen und daher autobiographisch geprägt sein können. Wenn »Krankheit« als ein unerwünschter Zustand des Selbst oder als substanzielle Bedrohung durch unerwünschte Zustände des Selbst gilt, dann sind die Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit damit verknüpft, wie eine Person menschliches Wohlbefinden beurteilt.
Ein Ansatz wie dieser kann demonstrieren, wie die Themen »Heilen« und »Gesundheit« in der Bibel dadurch inhaltlich verschoben werden können, dass bei der Deutung antiker Texte aus dem Nahen Osten die Kategorien der modernen westlichen Medizin vorausgesetzt werden. Biomedizinische Anliegen des Westens werden dann leicht auf Heilungsberichte aus biblischen Kulturen projiziert, die weit entfernt von unseren eigenen sind. Infolgedessen konzentrieren sich die Leser der Bibel allzu leicht auf die Diagnose der Darstellung eines Problems und seiner Lösung – hier ausgerichtet auf den Körper, auf eine Denkweise, die ein blindes Auge zu anderen Definitionen von »Heilung« und »Gesundheit« wendet, wie es von den biblischen Stoffen vorausgesetzt und gestützt wird.
Christus heilt den Blinden,
von El Greco © © Corbis/Francis G. Mayer
In Anlehnung an Robert A. Hahns
Sickness and Healing
(1995) müssen wir eine Klassifikation von Heilung anerkennen, die unabhängig von der jeweiligen Kultur ist:
Berichte über Krankheiten,
die sich auf Auffälligkeiten beziehen, die sich innerhalb des Körpers, an oder unter der Haut befinden. Das Problem liegt dabei im Aufbau und in den Funktionen von Körperorganen oder -systemen, und die Heilung erfordert einen chirurgischen Eingriff oder medikamentöse Maßnahmen.
Berichte über Krankheiten,
die eher allgemein als Krankheit im Gegensatz zu Gesundheit zu charakterisieren und im Körper angesiedelt sind, aber
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