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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Berry
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    Bei diesen Beispielen lassen sich Bibelinterpretation und die Beschäftigung mit der Naturwissenschaft nicht voneinander trennen. Das bedeutet, dass alle gründlichen Deuter der Heiligen Schrift besondere Sorgfalt auf die Wissenschaft anwenden, von denen die Verfasser der biblischen Texte Kenntnis hatten; erhöhte Aufmerksamkeit auf die uns bei den Interpretationen biblischer Texte weitergegebenen wissenschaftlichen Voraussetzungen sowie ein klares Bewusstsein der wissenschaftlichen Perspektiven, die wir selbst bei unserer Bibelauslegung mitbringen. An jeder Stelle ist der Einfluss der wissenschaftlichen Kenntnisse unvermeidbar. Noch einmal: Die Frage lautet nicht, ob die Wissenschaft in Betracht gezogen wird. Sie lautet vielmehr:
welche
Wissenschaft? Und
wessen
Wissenschaft?
    Der »überirdische Leib« (1 Korinther 15,35–57) ⬅
    Eine wichtige Möglichkeit, wie Wissenschaft und Bibel zusammenwirken können, besteht darin, dass die Wissenschaft uns dabei helfen kann, die Bibel zu verstehen und anzuwenden. Das funktioniert in zwei Richtungen. Erstens kann die Kenntnis der Wissenschaftsgeschichte und der Weltanschauungen der antiken Völker die Bedeutung von Bibelpassagen anschaulicher machen, da diese aus einem antiken Weltbild heraus verfasst wurden. Zweitens ist ein modernes Verständnis von Wissenschaft ein wichtiger Bestandteil unserer heutigen Weltsicht. Die Wissenschaft liefert damit einen Teil unseres Horizonts oder unseres Verständnisses der Welt, unseres Ichs sowie der Gemeinschaft, innerhalb deren die Kirche die Bedeutung der Bibel für heute erfassen und anwenden muss. Die faszinierende Auseinandersetzung des Apostels Paulus über die Auferstehung und den verklärten Leib ist ein gutes Beispiel für die beiden Wege, auf denen uns die Wissenschaft beim Verstehen der Bibel unterstützt. Wenn man die Wissenschaft der Antike aufmerksam beachtet – das heißt die Astronomie und die Naturphilosophie aus der Zeit des heiligen Paulus –, verschafft uns das Klarheit über seinen Standpunkt hinsichtlich dessen, was er als die
soma pneumatikos
bezeichnet, was oft als »verklärter Leib« bezeichnet wird.
    In der Physik im Zeitalter von Paulus setzte sich jedes irdische Ding aus einer Mischung der vier Grundelemente zusammen: Erde, Luft, Feuer und Wasser. Im Zentrum des Kosmos befand sich die Erde, unterhalb des Himmels, ein Ort des Wandels, der Generationen, des Todes und der Verderbnis. Doch die Astronomie der Zeit lehrte, dass das Universum selbst ewig war. Sonne, Mond und Sterne bewegten sich auf immer in majestätischen Bahnen rund um die Erde. Sie bestanden aus einem fünften Element, das »Quintessenz« oder »Äther« genannt wurde. Oberhalb der Mondsphäre bestand alles aus Äther. Aristoteles lehrte, dass Äther etwas Göttliches, Ewiges, Unveränderliches, Dauerhaftes sei. Juden und Christen fügten dem Himmel eine weitere Sphäre hinzu, jenseits von Sonne, Mond und Sterne. Für sie weilten Gott und die Engel im höchsten Himmel, in einer Sphäre, die sogar noch über den höchsten Sternen lag.
    Dieses antike Weltbild sollten wir im Gedächtnis behalten, wenn wir das interpretieren, was Paulus über den Himmel und über himmlische Körper in 1 Korinther zu sagen hat. Paulus beginnt mit einer Frage: »Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben?« Diese Frage legt die gesamte Passage auf die
physis
(Natur) des Leibes in der Auferstehung fest.
    Da Paulus das Wort »Leib« für Pflanzen, Samen und Menschen benutzt, muss es etwas wie »körperlicher Gegenstand« bedeuten.
    In 1 Korinther 15, 36-38 geht es Paulus darum, dass es verschiedene Arten von Leibern gibt, die Gott erschaffen hat, und nicht nur eine. Pflanzen und Tiere sind von Gott erschaffen, um solche Leiber zu haben, die geeignet für ihr Lebensumfeld sind. Jede Art von Körper ist gut geeignet für das Leben an seinem richtigen Standort (vgl. 1 Korinther 15,40–41).
    »So ist es auch mit der Auferstehung der Toten«, behauptet der Apostel nun (1 Kor 15,42). Paulus stellt eine Reihe von Antithesen auf, welche die verschiedenen Arten von Körpern beschreiben, die wir in diesem und im nächsten Leben nach der Auferstehung haben. Unser sterblicher Leib ist verweslich, armselig (besonders als toter Leichnam), schwach und »irdisch«. Unser Auferstehungsleib wird herrlich sein, stark, »überirdisch«, unvergänglich und unverweslich (dasselbe Wort benutzte Aristoteles für den Äther). Es wird tatsächlich

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