Gott oder Zufall?
falsch: Allein China hat in den vergangenen 2000 Jahren etwa 2000 Hungersnöte durchgemacht; Überbevölkerung und Landmangel haben zu nachfolgenden massenhaften Bevölkerungsbewegungen geführt – die Glockenbecherkultur, die Teutonen, die Wikinger und die Kolonisatoren der Neuen Welt verbreiteten sich alle von der Westküste Europas aus. Ein rücksichtsloser Umgang mit der Umwelt hat wiederholt zu katastrophalen Konsequenzen für die Menschen geführt: Die erste polynesische Bevölkerung von Neuseeland war lange Zeit auf große flugunfähige Moa als Nahrung angewiesen und schaffte es innerhalb von 600 Jahren, diese Art auszurotten; der Import von Kaninchen nach Australien, von Mungos nach Hawaii und von Grauhörnchen nach Britannien hat stets große ökologische Probleme verursacht. Ein zu starker Ausbau der Bewässerungskanäle war schließlich ein wichtiger Faktor für den Zusammenbruch des babylonischen Reiches; Sizilien war einst die Kornkammer Italiens, doch es wuchs immer weniger Getreide, nachdem sich der Boden durch übermäßigen Anbau und das Weidenlassen von Ziegen immer mehr verschlechtert hatte; und der ökologische Zusammenbruch der Osterinseln infolge des Raubbaus durch den Menschen ist ebenfalls gut dokumentiert.
Die Annahme, Gott werde schon gut für die Menschen sorgen, ist unbegründet. Die Bibel ist da eindeutig: »Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt« (Psalm 24,1; 89,11), und das Entscheidende: Er fordert von uns, uns um alles zu kümmern (Genesis 2, 15), was im Allgemeinen als »verantwortungsvoller Umgang« bezeichnet wird. Auch wenn Aspekte dieses verantwortungsvollen Umgangs kritisiert wurden, weil dieser menschliches Bemühen verherrliche, ist die Vorstellung, dass wir für den Gebrauch der Ressourcen der Erde verantwortlich sind, unverwüstlich und bleibt nachhaltig – egal, ob wir das nun als verantwortungsvollen Umgang, Treuhänderschaft, Vormundschaft oder einfach nur Bewahrung der Schöpfung bezeichnen. Insbesondere das Alte Testament ist voll von Beispielen und Warnungen im Hinblick auf Umwelt-Missmanagement – entweder durch Versagen oder durch Vernachlässigung (etwa bei Levitikus 18,25, 28; 25,2–6; Deuteronomium 29,22–25; Jesaja 24,4–6; Jeremia 12,10–11).
Die Annahme, Gott werde schon unendliche Vorsorge für uns treffen, ist deshalb falsch, weil man dabei nicht unterscheidet zwischen der gütigen Vorsehung Gottes (»Er sorgt sich sogar um die Vögel und Blumen, und die Winde und Wellen gehorchen ihm«, vgl. Matthäus 6,25–34, 8,27) und seinen Erwartungen, die er an uns stellt (Genesis 1, 28). Johannes Calvin kommentierte Genesis 2,15 wie folgt: »Die Aufsicht über den Garten wurde Adam anvertraut, um uns zu zeigen, dass wir die Dinge besitzen dürfen, die Gott uns übergibt – unter der Bedingung allerdings, dass wir genügsam und maßvoll davon Gebrauch machen und zu dem, was übrig bleibt, Sorge tragen.« Er fährt fort, von dem zu sprechen, was wir heute als »Nachhaltigkeit« bezeichnen:
Wer ein Feld besitzt, soll mit seinen jährlichen Früchten so umgehen, dass der Boden keinen Schaden leidet. Er soll es vielmehr seiner Nachkommenschaft so weitergeben, wie er es empfangen hat, oder sogar durch seine Pflege verbessern. Jeder soll sich als Verwalter Gottes betrachten, in allen Dingen, die er besitzt. Dann wird er sich weder zügellos verhalten noch diese Dinge beschädigen, die nach Gottes Willen bewahrt werden sollen.
Dem Verfasser von Deuteronomium geht es beim »Verheißenen Land«, in dem es den Israeliten an nichts fehlen soll (Deuteronomium 8,7–10), nicht um die Existenz oder den Wohlstand seiner Einwohner, sondern es spiegelt eine unauflösbare Partnerschaft zwischen dem Land und Jahwe wider – bei Jahwe geht es niemals nur um ein Leben in höchstem Gehorsam ihm gegenüber; beim Land geht es niemals nur darum, dass es einfach nur über Besitz verfügt und damit zurechtkommt. Das erzeugte eine anhaltende Spannung und Dynamik für Israel: Wie sollte man zwei Traditionen zusammenhalten – das mosaische Verständnis, das den Gehorsam Jahwe gegenüber in einer Weise betonte, die die Bedeutung des Landes herabsetzte, und die davidische Interpretation, die großen Wert auf das Land legte und die Thora vernachlässigte.
Die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen, die 1972 in Stockholm stattfand © © Topfoto/Scanpix Sweden
Das Spannungsverhältnis zwischen der Verehrung Gottes
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