Gott oder Zufall?
Der Chemiker und Philosoph Robert Boyle legte Wert auf diesen Punkt. Die komplizierten Anpassungen und Behelfsvorrichtungen, die Organismen durchzustehen und zu reproduzieren haben, müssen einfach im Sinne von Zwecken verstanden werden. Gleichzeitig meinte man, diese wissenschaftliche Behauptung würde noch immer die Existenz eines göttlichen Wesens beweisen, und so war man am Ende des 17. Jahrhunderts in der glücklichen Lage, in der der Naturforscher und Pfarrer John Ray zeitgleich die Natur studieren und die Existenz und Macht seines Herrn und Schöpfers preisen konnte.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts lancierte der schottische Philosoph David Hume – den man einmal einprägsam als Gottes größtes Geschenk an die Ungläubigen bezeichnet hatte – eine vernichtende Attacke gegen das Design-Argument. Dabei äußerte er, dass dieses nicht nur mehrere Götter und multiple Universen unterstelle, sondern dass die Existenz des Bösen das Wesen des Designer-Gottes höchst problematisch mache. Und doch hatte Hume am Ende seiner
Dialoge
über
natürliche Religion
einzugestehen, dass es etwas geben müsse, was die designähnliche Natur von Organismen verursache. Das war eine Schlussfolgerung, die sehr stark von Immanuel Kant unterstützt wurde, der (in seiner
Kritik der reinen Vernunft)
den Standpunkt vertrat, die organische Welt nicht ohne eine teleologische Perspektive verstehen zu können, und er schloss, dass »wir nie einen Newton des Grashalms haben werden«, da die Teleologie in der materiellen Welt nicht gefunden werde. Unterdessen ließen Erzdiakon William Paley Humes Ansichten so kalt, dass er zu Beginn des 19. Jahrhunderts das darstellte, was im Allgemeinen für die definitive Erläuterung des Design-Arguments gehalten wird.
Charles Darwin stellte all das in Frage. Er akzeptierte die aristotelische Prämisse voll und ganz, nach der die organische Welt letzte Ursachen erkennen lasse. Er wollte sie einfach nur in natürlichen (das heißt in nichtvitalistischen, nichttheologischen) Begriffen ausdrücken. Das tat er durch seinen Evolutionsmechanismus der natürlichen Selektion. Es werden mehr Organismen geboren als überleben und sich vermehren können; die Gewinner (die besser Angepassten) werden Eigenschaften haben, die die Verlierer nicht besaßen; und im Laufe der Zeit wird das zu Veränderungen führen – zu Veränderungen in Richtung einer Anpassung oder Behelfsvorrichtung. Die Zwecke, für die das Auge und das Ohr erschaffen wurden, werden damit aufrechterhalten.
Aristoteles (384–322 v. Chr.) © © Photolibrary/Alamy und The Art Archive: Ludovisi collection
Darwin sah (wirklich) ein, dass sein Argument einen Designer-Gott nicht widerlegte, und so glaubte er tatsächlich einige Jahre lang weiterhin selbst an einen solchen Gott, nachdem er die natürliche Selektion entdeckt hatte, aber er erkannte, dass das Design-Argument nicht länger zwingend war. Um es mit Richard Dawkins zu sagen: Erst nach Darwin war es möglich, ein intellektuell erfüllter Atheist zu sein. Doch ist Möglichkeit der Weg zur Notwendigkeit? Sollte man heute Atheist oder zumindest Agnostiker sein? Laut Dawkins auf alle Fälle, weil die natürliche Selektion durch einen Kampf ums Dasein ausgelöst wird – und das scheint mit einem guten Gott unvereinbar zu sein. Andere sind sich da nicht so sicher, und tatsächlich gibt es heute Physiker, die das Design-Argument wiederzubeleben versuchen, indem sie die »Feinabstimmung«, das »Fine-Tuning« der Grundkonstanten des Universums aufwerfen. Wie erwartet, hat dieser »anthropische« Ansatz seine eigenen Kritiker, von denen manche nicht glauben, dass das Universum derart fein abgestimmt sei, und andere meinen, es gebe möglicherweise viele Universen (»Multiversen«) und es sei einfach nur Zufall, dass das unsrige dasjenige ist, das funktioniert und Leben aufrechterhält. Tatsächlich sind viele Gläubige ganz zufrieden mit dem, was Darwins Wissenschaft für das Design-Argument bedeutet. Sein Zeitgenosse, der vom Anglikanismus zum katholischen Glauben konvertierte John Henry Newman (1801–1890), betonte, er glaube an ein Design, weil er an Gott glaube statt umgekehrt. Auf jeden Fall favorisiert das Design-Argument den Gott der griechischen Philosophen – Macht und Allwissenheit – und nicht den Gott der Christen – der für Liebe und Barmherzigkeit steht. Andere, wie Søren Kierkegaard (1813–1855), begrüßten die Zielsetzung des Arguments, weil sie die
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