Gott oder Zufall?
Zusammenhang interpretiert werden (Psalm 19).
Teleologie
Teleologie ist ein Begriff aus dem 18. Jahrhundert, der sich darauf bezieht, wie wir zuweilen Dinge nicht nur im Sinne vorheriger (wirksamer) Ursachen erklären, sondern auch im Sinne von Zielen oder Zwecken oder dem, was oftmals als »letzte Ursachen« bezeichnet wird. Somit können wir uns angesichts eines an einer Schneide gewetzten Stahlbandes mit einem Griff die Frage nach der Herstellung, aber auch nach dessen Zweck stellen. Es ist ein Messer, dessen Zweck darin besteht, Fleisch und Kartoffeln zu schneiden. Wichtig ist, dass es eine Asymmetrie zwischen wirksamen und letzten Ursachen gibt. Es kann sein, dass etwas immer eine wirksame Ursache in dem Sinne hat, dass eine solche Ursache existiert haben musste. Man kann kein Messer besitzen, ohne dass jemand an einem Ort wie Sheffield diesen Stahl hergestellt und die Klinge geschliffen hat. Doch obwohl das Messer eine letzte Ursache – das Schneiden – hat, kann es gut sein, dass dieses Ziel niemals realisiert wird. Vielleicht hat die Firma ja nach der Herstellung Konkurs angemeldet, und der gesamte Bestand wurde vernichtet.
Es waren die alten Griechen, die als Erste ernsthaft über die Teleologie nachdachten, und sie hielten sie für zwei Bereiche für wichtig, die auch heute noch von großem Interesse sind. Sokrates (469–399 v. Chr.) vertrat durch seinen Schüler Platon und vor allem in den Dialogen
Phaidon
und
Timaios
die Auffassung, wir würden bei unserer Weltbetrachtung erkennen, dass wirksame Ursachen nur
einen
Aspekt der Dinge wiedergeben. Wenn wir etwas wie die Existenz von Fingernägeln verstehen wollen, müssen wir verstehen, woraus sie bestehen, aber auch, zu welchem Zweck sie dienen. Warum haben wir Fingernägel? Für Sokrates und Platon führte die Beantwortung dieser Frage zu dem berühmten »Design-Argument« (zugunsten der Existenz Gottes). Dinge lassen eine Ordnung und einen Zweck erkennen; eine solche Ordnung und ein solcher Zweck können nicht durch ein blindes Gesetz zustande gekommen sein; daher muss es einen Organisator oder Designer geben, nämlich Gott.
Platons Schüler Aristoteles hat das aufgegriffen. Doch während das Design uns bei Sokrates und Platon unmittelbar in die Theologie und zu einem Gott führte – wir haben es hier mit einer Art »externer« Teleologie zu tun, bei der die Ordnung von außen auferlegt wird –, wollte Aristoteles die Dinge ganz streng innerhalb des Bereichs der Wissenschaft halten, ohne von äußeren Einflüssen zu sprechen – es war eine »interne« Teleologie.
Bekanntermaßen identifizierte er vier Arten von Ursachen – materielle Ursachen (aus denen die Dinge gemacht sind), formale Ursachen (der Plan oder das Muster), Wirkursachen (der Akt der Herstellung) und Zweckursachen (das Ziel oder der Zweck). Heute fassen wir oftmals die ersten drei zusammen, und gelegentlich tut das Aristoteles auch schon mal selbst. Der springende Punkt besteht darin, dass für Aristoteles die Welt selbst diese Art eingebauten Schwung in Richtung der Ziele hin besitzt. In mancher Hinsicht ist Aristoteles daher das, was wir heutzutage einen Vitalisten nennen würden, der an Kräfte glaubt, die auf Ziele oder Zwecke hin ausgerichtet sind.
Christen, insbesondere Thomas von Aquin, haben das Design-Argument übernommen und dachten, dass es den Glauben an ihren Gott unterstütze. Wichtig ist dabei aber, dass es ja nicht ganz der Gott der Griechen ist, denn die Denker der Antike glaubten, dass der Designer auf bereits existierendem Material aufbaute, wohingegen der christliche Gott aus Nichts erschuf. Daher ist es nur gerecht zu sagen, dass das Design-Argument (selbst, wenn es Erfolg hätte) nur teilweise eine Begründung für den Gott des Alten und Neuen Testaments liefern kann. Doch das war nicht wenig; zur selben Zeit wurde Aristoteles’ Wissenschaftsansatz zur Norm, und die letzten Ursachen wurden als ein wesentlicher Aspekt der Dinge betrachtet.
Letzteres wurde in der wissenschaftlichen Revolution gewaltig in Frage gestellt. Physiker und Kosmologen behaupteten, dass ihr Verständnis von der Realität keinen Bedarf an einem Denken der letzten Ursachen habe. Wer so argumentierte, wurde vom Philosophen Francis Bacon mit den vestalischen Jungfrauen verglichen – dekorativ, aber unfruchtbar. Doch im Bereich der Biologie verhielt es sich anders. Besonders mit der Entwicklung des Mikroskops spürte man, dass die Umstände nach den letzten Ursachen drängten.
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