Gott-Poker (German Edition)
Schnee, regelmäßig angeordnet und ganz verfallen.
Karl flüsterte etwas in Klaras Ohr.
Ganz schwach glaubte die Katze noch Marias Lied zu hören. Del Toro machte einen Satz und sprang von der Mauer herunter. »Nein!« schrie Karl.
Die Katze landete rücklings und mit einem gewaltigen Knall auf dem Holzboden in Karls Wohnzimmer. Karl war erschrocken aus dem Schlaf hochgefahren und sah auf die verwirrte Katze, die auf dem Boden lag und zu erschöpft war, wieder aufzustehen.
»Del Toro, was ist denn passiert?« murmelte Karl benommen, »was ist los, Katze, hast du schlecht g eträumt?«
Karl hatte selbst schlecht geträumt, doch er konnte sich nicht erinnern, was. Er hörte nur ein Brummen in seinem Schädel. Karl setzte sich auf, zog die Decke, die die Katze bei ihrem Satz mit auf den Boden gezogen hatte, wieder herauf, lehnte die Wange an die kühle Wand und wartete, bis sein Kopf aufhörte, sich zu drehen. Trotz der Hitze fröstelte ihn. So saß er eine ganze Weile, der Kopf immer in Versuchung, wieder niederzusinken und sich dem schweren, dumpfen Schlaf zu ergeben.
Die Standuhr tickte laut und schlug irgendwann eine viertel, dann eine halbe Stunde. Welche Stunde das wohl sein mochte? Das Licht vor dem Fenster war fahl und sah aus, als wäre der Tag bald vorbei. Schließlich kam Karl zu sich. Er beugte sich hinunter und hob die Katze auf, die immer noch bewegungslos am Boden lag.
»Del Toro, was ist denn los!« sagte er. Die Katze hing schlaff in seiner Hand und sah ihn müde an. Unter den halb geschlossenen Augenlidern rutschten ihr die Pupillen weg. ›Oh nein, Toro, das hat mir gerade noch gefehlt, dass du jetzt auch noch in Oh nmacht fällst!‹, dachte Karl.
Karl drehte die Heizung herunter, öffnete das Fenster und hielt den leichten Katzenkörper und seinen schweren Kopf an die kühle Abendluft, die von draußen hereinkam und aus der sie beide den Sauerstoff einsogen, als wären sie kurz vor dem E rsticken gewesen. Langsam wurde Karls Kopf klarer. Er setzte del Toro auf das Fensterbrett, wo sie immerhin sitzen blieb und nicht wieder in sich zusammensank.
»So ist es gut, Kätzchen«, sagte er, und strich mit der flachen Hand über ihren Rücken. »Schön sitzen bleiben und tief atmen. Nicht abhauen«, fügte er hinzu, als das Telefon klingelte und er in das dunkle Zimmer hineinging. Sein Mobiltelefon führte einen Tanz auf dem Wohnzimmertisch auf, leuchtete blau und läutete mit einem altmodischen, viel zu lauten Schrillen. Karl nahm ab und sagte: »Ja?« Dann sah er zu del Toro, die immer noch auf dem Fensterbrett saß.
»Frau Baronin! Ja, Guten – wie viel Uhr ist es denn bitte? Gleich sechs schon - oh, das tut mir leid, ich habe geschlafen - hatten wir eine Verabredung?
Oh – ja, nein, ja doch, ich war ja da, aber dann – Ihr Sohn – ich wusste gar nicht, dass Sie einen Sohn haben, Frau Baronin, also er hat mir die Tür geöffnet und ich – also ich – dachte nicht – außerdem hatte ich, wie soll ich sagen, ich hatte eine Überraschung für dich«, sagte Karl.
»Ob ich vorbei kommen kann? Heute Abend noch? Ja sicher –
ich meine, warten Sie, würde es Ihnen – würde es etwas ausmachen, wenn ich eine Katze mitbringen würde? Ich habe eine Katze hier, und ich möchte sie nicht allein lassen – ja sehr gut, dann bringe ich sie mit. Bis später!«
»Der Ka- ha- ha- rl und del Toro machen einen Besu-hu-hu-ch«, sang Karl unter der eiskalten D usche, unter die er sich gestellt hatte, um endlich den Traum abzuschütteln, an den er sich nicht erinnern konnte.
Als Karl triefend nass und in ein blaues Badetuch gewickelt zurück ins Wohnzimmer kam, saß del Toro immer noch auf dem Fensterbrett und starrte unverwandt nach draußen in den dunklen Hof.
»Komm, wir machen das Fenster zu«, sagte Karl. Er machte das Licht an, nahm die Katze vom Fensterbrett und wollte das Fenster schließen. Del Toro schrie empört auf und entwand sich dem nassen Karl, machte einen Satz auf den Wohnzimmertisch, wo sie ein Wasserglas umstieß, und weiter unters Sofa. Dort blieb sie sitzen und versuchte sich zu trocknen.
»Nun mach mal nicht einen solchen Terror«, sagte Karl und begann den Refrain von »I am the Walrus« von den Beatles zu singen, während er sich abtrocknete. Man konnte ihn gut sehen, von draußen besonders gut, denn im Zimmer war nur die Katze, die sich für den nackten, singenden Karl nicht interessierte. Ihre Augen funkelten unter dem Sofa wie gelbe
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