Gott-Poker (German Edition)
selbst mit den Armen u mklammert, als helfe ihr das, nicht hinunterzufallen.
»Was ist passiert?« fragte Klara.
Die Baronin brauchte einige Zeit, bis sie zu sprechen begann. »Ich habe Magdalena den Schlüssel zum Haus hier gelassen und bin nach Hause gefahren. Einige Zeit, ich weiß nicht, ob es Wochen oder Monate waren, saß ich auf der Terrasse meiner Eltern und schaute auf den See hinaus.
Mein Vater lag krank, aber als er sah, dass ich wieder da war, ging es ihm langsam besser. Er kan nte dieses Haus hier, er ist hier aufgewachsen. Er wusste, dass dieses Haus merkwürdige Dinge aus den Menschen hervorbringt. Er war froh, dass ich wieder da war, und er stellte keine Fragen. Er war auch viel zu schwach. Er hielt nur meine Hand. Jeden Vormittag saß ich an seinem Bett, legte meine Hand in seine und streichelte sie leicht mit dem Daumen.
Meine Mutter sprach nicht mit mir. Wenn es etwas zu tun gab, wenn sie wollte, dass ich mich anzog, weil sie Gäste geladen hatte, oder etwas ähnl iches, ließ sie es mir durch Dienstboten ausrichten. Ich saß auf der Terrasse und versuchte mir einzureden, dass das Leben schön und es noch nicht zu spät sei. Ich hatte Geld, ich war hübsch, der See war schön, die Möwen schrieen, und es kamen mindestens einmal wöchentlich die ganzen reichen Schnösel vorbei und versuchten mich kennen zu lernen. Ich könnte mein Studium beenden, dachte ich, ich könnte Nicolas und die anderen einfach vergessen und einen von denen heiraten. Kinder. Die auf der Terrasse spielen könnten. Einige Male dachte ich daran, zu meiner Mutter hinein zu gehen und sie um Verzeihung zu bitten, ihr zu sagen, dass sie Recht hatte und dass ich ab sofort mitmachen würde. Doch dann dachte ich an meinen Vater, wie er krank in seinem Bett lag. Ich dachte an Nicolas. Ich dachte an die Bibliothek.«
Die Baronin schnaubte.
»Ich weiß nicht, was die Bibliothek damit zu tun hatte. Jedenfalls tat ich es einfach nicht. Ich blieb auf der Terrasse sitzen, rauchte eine Unmenge Zigaretten und dachte so hin und her, dachte nach, wie ich mein Leben haben wollte und ob man ein Leben einfach so machen kann, wie man es haben will. Vorausgesetzt, man wüsste, wie man es haben will. Wieder einmal dachte ich darüber nach, was das Leben ausmacht.
Und dann kam ein Brief. Von Sergej.
Magdalena glaubte, sie hätte etwas gefunden. Und Sergej war während seiner Studien zufällig auf denselben Gedanken gekommen. Wir hatten am Abend vor meiner Abreise darüber gesprochen.
Franziska, komm zurück , schrieb Sergej. Nicolas trinkt nicht mehr. Magdalena und ich haben alles ausgerechnet. Die Theorie mit dem Sauerstoff ist richtig. Komm zurück. Wir brauchen dich.
Magdalena hatte darunter geschrieben:
Wir vermissen dich.
p.s. bring das Kästchen mit!
Ich las den Brief zweimal. Nicolas trinkt nicht mehr. Was sollte das denn heißen! Ich blieb noch ungefähr vierzig Sekunden auf der Terrasse sitzen. Dann rannte ich ins Haus, zu meinem Vater. Er schlief. Ich weckte ihn auf. Ich sagte ihm, dass es mir leid tue, und dass ich bald wieder da sein würde. Dann rannte ich in mein Zimmer, warf einige Sachen in den Koffer und nahm das Kästchen aus dem Versteck hinter meinem Schreibtisch. Ich rannte aus dem Haus, aber dann merkte ich, dass es mir zu lange dauern würde, mit dem Koffer zum Bahnhof zu laufen und mit dem Zug zu fahren. Ich lief wieder hinein und bat Ben, den Chauffeur, mich mit dem Auto zu bringen. Meine Mutter verbot es ihm, aber ich schrie sie an, schrie, dass ich es eilig habe und was sie nur für eine Mutter sei. Schließlich erteilte sie ihm mit einem Kopfnicken die Erlaubnis und verschwand im Salon.
Als ich mit dem Auto vorfuhr, kam Nicolas aus dem Haus gerannt. Er war nicht betrunken und trug ein weißes Hemd unter seinem Anzug. Ich warf mich ihm an den Hals, und er hob mich hoch und drehte sich, bis wir umfielen und im Gras lagen.
Noch in derselben Nacht begannen wir die Vorbereitungen. Sergej und Magdalena erklärten mir kurz ihren Plan. Sie hatten den Anhänger an unseren alten Peugeot gehängt und waren mit Hilfe von Sergejs Schlüssel in die Universitätsklinik eingebrochen, um Instrumente und Substanzen zu stehlen, darunter ein riesiges silbernes Ding, das aussah wie ein verchromter Sarg, und das sich in der kleinen, verkommenen Kammer bizarr ausnahm wie von einem anderen Stern. Sie waren aufgedreht wie kleine Kinder. Nicolas saß schweigsam in der Ecke. »Ihr seid wahnsinnig«, sagte er. »Das
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