Gott-Poker (German Edition)
ihrer Haut.
Sie stieg aus der Wanne, nahm das Handtuch, wickelte es um sich herum und öffnete die Tür. Vor der Tür saß Franziska zusammengekauert und sah auf den Boden. Sie zuckte zusammen, als sich die Tür plötzlich öffnete und ihre Hand, mit der sie unablässig geklopft hatte, ins Leere fuhr. Sie sah auf. Die Haare verdeckten ihr Gesicht.
»Ich gehe«, flüsterte sie. »Ich kann nicht mehr.«
Magdalena nickte. »Ja.«
Sie hielt Franziska die Hand hin und zog sie nach oben. Eine Weile standen sie fast aneinandergelehnt am Türrahmen und schwiegen.
»Kannst du nach Hause?« fragte Magdalena schließlich.
Franziska schüttelte den Kopf. »Meine Mutter –«, sagte sie.
»Geh nach Hause«, sagte Magdalena. »Dein Vater ist ja auch noch da.«
»Er ist krank«, flüsterte Franziska.
»Geh zu ihm«, sagte Magdalena. »Er wird wieder gesund werden, wenn du kommst.«
Franziska nickte.
Aus dem Schlafzimmer kam ein Geräusch.
Franziska wandte sich um. Magdalena griff, wie in Panik, nach ihrer Schulter.
»Kleines«, flüsterte sie. »Es tut mir so leid.«
Franziska nickte. Sie bewegte die Lippen.
Dann ging sie in ihr Schlafzimmer und zog sich an. Mit schnellen, fahrigen Bewegungen nahm sie ihre Sachen aus dem Schrank und warf alles in einen Koffer. Sie band sich ein Tuch um die Haare, nahm einen Schlüsselbund aus dem untersten Fach des Schrankes und trat mit dem Koffer in der Hand über die Schwelle.
Magdalena stand reglos in der Tür zum Badezi mmer und starrte auf die blutigen Verästelungen auf ihrer Haut. Franziska zerrte einen Schlüssel von dem Bund in ihrer Hand und drückte ihn Magdalena in die Hand.
Vor dem Zimmer, in dem Nicolas und Sergej schliefen, blieb sie stehen. Sie trat über die Schwelle. Einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte sie den Koffer absetzen und sich zu Nicolas hinunte rbeugen, doch dann wandte sie sich ruckartig um und ging hinaus. Ohne Magdalena noch einmal anzusehen, ging sie die Treppe hinunter. Die Tür fiel ins Schloss.
Magdalena ging in ihr Schlafzimmer. Sie legte den Schlüssel auf die Kommode, tupfte das Blut mit dem Handtuch ab und rieb sich mit Wundalkohol ein. Sie verzog nicht einmal das Gesicht. Nur ein Luftstrahl presste sich geräuschvoll über ihre Lippen, so sehr brannte es. Sie blieb eine Weile unbewegt auf dem Bett sitzen. Dann zog sie sich frische Sachen an, kämmte ihr Haar und schminkte sich vor dem kle inen, fast blinden Spiegel an der Innenseite der Schranktür.
Sie wandte sich zum Bett und wollte die Sachen, die sie dort hingelegt hatte, in den Koffer packen, den sie vom Schrank heruntergerissen hatte. Sie stutzte. Das in Samt geschlagene Kästchen war ve rschwunden.
Klara setzte sich auf. Ihre Zunge war geschwollen und die Kehle ausgetrocknet. Sie konnte nicht schlucken. Sie sah sich in dem Raum um. Die Tierfelle waren verschwunden. Sie lag auf einem staubigen Holzboden. Neben ihr saß die Baronin auf einem Stuhl und sah sie an.
»Nicht sprechen, mein Kleines«, sagte die Bar onin. Sie stand auf und nahm ein Glas von der Spülvorrichtung. Sie drehte am Wasserhahn, aber es kam kein Wasser. Sie nahm das Glas, ging damit aus dem Raum und Klara hörte, wie sie draußen im Flur gegen etwas stieß. Die Baronin fluchte. Sie hantierte irgendwo im Haus herum, dann kam sie mit einem Krug Wasser zurück. Sie reichte Klara das Glas.
Klara trank. Als das Glas leer war, hielt sie es der Baronin hin und ließ es sich wieder auffüllen. Sie trank drei Gläser. Dann schluckte sie eine Weile und massierte ihren Gaumen mit der Zunge, bis sie meinte, wieder sprechen zu können.
»Bist du –« fragte sie. »Sind Sie – Franziska?«
»Ja«, sagte die Baronin. »Ich bin Franziska von Hof.«
»In diesem Haus sind schreckliche Dinge pa ssiert«, sagte die Baronin. »Wir haben einen Fehler gemacht. Wir wollten herausfinden, was das Leben ausmacht. Nicht besonders originell. Diese Frage haben sich schon andere vor uns gestellt. Und sind auch daran gescheitert.«
Klara schnaubte. »Ja«, sagte sie, »was das Leben ausmacht. Diese Frage ist nicht besonders originell. Das musste ich auch schon feststellen. Und es ist ja nicht so, als gäbe es nicht schon genug Bücher da rüber.«
»Ich weiß«, sagte die Baronin. »Aber das Leben ist stärker als die Bücher. Die Bücher sind Papier, sie sind alle irgendwann zu Ende gelesen, und dann muss man das Buch zuschlagen und ist selber aber immer noch da. Wie ein Held, der nach dem Abspann unversehens auf
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