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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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gespielt. Bei
den Red Damned Sputniks«, sagte Philipp.
    Herr Müller winkte bescheiden ab: »Das ist schon lange her.
Über 40 Jahre.«
    Philipp stimmte die Gitarre am Lagerfeuer und gab ein paar
Lieder zum Besten, die gut zu seinen strähnigen langen Haaren, seinem indischen
Stickhemd und seiner grünen kurzen Batikhose passten: »Yeah … Puff, the magic dragon, lived by the
sea and frolicked in the autumn mist in a land called Honah Lee … And
Jesus was a sailor when he walked upon the water and he spent a long time
watching from his lonely wooden tower …«
    Franz Müller war mit Donovan und Leonhard Cohen
offensichtlich überfordert. Er schwankte ungeduldig auf Philipp zu und forderte
seine rot lackierte Framus.
    Er stellte sich vor den Schein des Lagerfeuers, hob stolz den
Kopf und schob die schweren Hüften in seiner Breitcordhose nach vorn. Mit
emporgestrecktem rechten Arm war er bereit zum ersten Akkord. Legte den Kopf
ganz weit nach hinten. Ließ die Rechte nach unten sausen und die Hüften
kreisen: »Well, it’s one for the money, two for the show, three to get ready,
now go, cat, go. But don’t you
step on my blue suede shoes … blue, blue, blue suede shoes …«
    Ich war mehr als überrascht und dachte: So einer kann doch
keinen anderen Menschen umbringen?

     
    Der Morgen
danach war weniger angenehm. Überall in meinem Garten lagen Menschen in oder
außerhalb von Schlafsäcken. Aus den Ascheresten des nächtlichen Lagerfeuers
qualmte es kläglich. Hüpfende Amseln und emsige Eichhörnchen suchten den Rasen
erfolgreich nach Essensresten ab. Zu spät begriff ich die Dramatik der
Situation. Deodonatus saß leblos auf der Bank, sein Kopf lag auf seinen Armen
auf dem Biertisch. Ich stürzte zu ihm hin, schüttelte ihn an der Schulter. Er
reagierte nicht, ich zog ihn unter den Schultern von der Bank. Taumelnd kam er
zum Stehen.
    »Was ista los?«
    »Die Glocken, es läutet zur Messe.«
    Deodonatus war sofort in einem unkoordinierten Wachzustand.
    »Oh mein Gott, warum hasta mich verlassa?«
    Er stürmte auf seine Quickly zu, stürzte über seine lange
Soutane und fiel mit dem Gesicht gegen den hölzernen Gartenzaun. Augenblicklich
schwoll sein Auge an. Die Holzlatte des Zaunes war gebrochen.
    »Du mussta auch komma, irgendjemand muss Fürbitta lesa, das
wollt ich gestern noch fraga, vielleicht kann ja de Cäci … und du guck
nach de Mesnerdienst«, rief er mir noch zu.
    Dann startete er, eine beachtliche Zweitakt-Rauchfahne hinter
sich lassend, Richtung Kirche, deren Glocken bedrohlich läuteten.
    Cäci blickte mich aus roten Augen an. Ich erklärte ihr die
Situation. Es war keine Zeit mehr, sich umzuziehen.
    »Mach du die Fürbitten, das sind wir Deo schuldig, Kalner hat
bestimmt wieder nichts für den Gottesdienst vorbereitet. Das erledige ich.«
    »So kann ich doch nicht gehen, schau mich mal an! Ich muss
mich umziehen.«
    »Quatsch, das reicht nicht mehr.«
    Cäci sah eigentlich in jedem Aggregatszustand wunderbar aus.
An diesem Morgen jedoch wirkte sie leicht zerknittert. Ihr gelbes Nichts von
Top hatte dunkle Ketchup-Flecken, das knappe Röckchen war zerknautscht.
    »Du siehst wie immer spitze aus.«
    Ich gab ihr einen Kuss, sie schien wenig überzeugt.

     
    Der
Gottesdienst war übervoll, die Schäfchen saßen brav in ihren Bänken. Die
männlichen Böcke und einige wenige Geißen rechts. Die Geißen und keine Böcke
links. Die Gottesdienstbesucher hielten die siebenminütige Verspätung in Bezug
auf die dramatische Dorfsituation für angemessen. Man war sogar ein bisschen
stolz, dass so viele Auswärtige und Fremde am Gottesdienst teilnahmen. Auch
neugierige Wüstgläubige, wie man die Evangelischen aus Wilhelmsdorf nannte,
befanden sich unter den Gottesdienstbesuchern. Und dass die dörfliche
Gesamtausnahmesituation wegen der integrierten Spontanausnahmesituation durch
das ausgeuferte Fest zusätzlich gesteigert wurde, machte den Gottesdienst
nochmals attraktiver. Aus meiner privilegierten Mesner-Sitzposition vom Chorraum
heraus hatte ich den Überblick über die Versammelten. Ganz hinten entdeckte ich
einen blonden Schopf. Das Gesicht wirkte durch die nächtliche Sause leicht
derangiert. Sie hatte wahrscheinlich in ihrem engen, grünen Damen-Fahrzeug
übernachtet. Immer wieder zog sie die Schultern hoch und ließ den Kopf über den
Nacken rollen. Die Medien waren auch vertreten, wie würde das erst morgen bei
den Beerdigungen

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