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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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mit kräftigen
Schritten durch die Werkstatt. Es zog ihn hin zu seiner Sammlung in der Ecke.
Unter der Decke lagen sie, die schweren Kreuze.
    Ich habe es genau gehört, sie hat vom Feuer gesprochen. Von
Feuer und Hass. Sie weiß etwas. Sie hat auch vom Kind geredet. Aber nur das
Kind ist ohne Schuld. Ich soll meiner Strafe nicht entgehen, sie meint mich.
Und gerecht, was ist denn schon gerecht? Ist der Schindanger gerecht?
    Was hat die überhaupt zu sagen?   – Nichts. Sonst ist sie doch auch nicht da,
aber sie ist schlau, das sieht man an den Augen, die gehen tief. Ich denke, sie
wird mir gefährlich, bevor ich meine Aufgabe erfüllt habe. Ich muss etwas
unternehmen. Sie ist zwar ohne Schuld, aber ich muss etwas unternehmen …
etwas unternehmen … etwas.
    Der Mann holte eins der schweren Kreuze unter dem öligen Tuch
hervor und wog es in seinen Händen. Fast zärtlich fuhr er mit den Fingerspitzen
über die porige Oberfläche des schwarzen Metalls. Der gusseiserne Heiland hielt
seine Augen geschlossen.
      Eine schwere Last
musste der Herr da tragen, eine schwere Last muss auch ich tragen. Töten ist
eine Last. Hoffentlich fehlt mir nicht die Kraft, es zu Ende zu bringen …
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich wünschte, es müsste nicht so sein.
    Er stieß das Kreuz mit Wucht in den gewachsten Boden. Es
stand kurz wippend schräg, dann fiel es auf den Fuß des Mannes.
    Herrgott Sakrament, alles geht schief! Wenn ich nicht bald
etwas unternehme, läuft mir alles aus dem Ruder.

15
    Früh war ich an diesem Montag wach.
    Meiner Körperhygiene widmete ich an diesem besonderen Tag
etwas mehr Aufmerksamkeit. Im mintfarben gekachelten Badezimmer betrachtete ich
kritisch den Menschen mir gegenüber. Die dunklen Haare hingen zerzaust und
ungepflegt bis zur Schulter. Der dreitägige Bart bedurfte einer scharfen
Klinge. Ich streckte dem ungepflegten Menschen gegenüber die Zunge heraus.
Respektlos tat er es mir gleich. Die Zungen waren ohne Belag. Obwohl ich es von
meiner Zunge nicht definitiv wusste, die meines Spiegelbildes war auf jeden
Fall in Ordnung. Die kritischen graugrünen Augen wanderten über die behaarte
Brust bis zum kleinen Bauchansatz. Der schmale Badezimmerspiegel begrenzte den
Blick weiter nach unten. Eine Ganzkörperdusche hinter dem geblümten
Plastikvorhang reinigte mein Äußeres und gab meinem Inneren auch irgendetwas.
Wie immer hatte ich die akkubetriebene Zahnbürste mit unter die Dusche genommen
– ich singe nicht unter der Dusche.
    Erst nachdem ich mich gründlich abgetrocknet und rasiert
hatte – das brachte bestimmt ein paar Gramm zu meinen Gunsten – stellte ich
mich auf die geerbte Krups-Präzisions-Personenwaage mit dem dunkelgrünen
Kunstlederüberzug aus den späten 60er-Jahren. Ohne digitalen Firlefanz und ohne
20-bändige Bedienungsenzyklopädie zeigte sie nach fast 50 Jahren Wiegetätigkeit
durch ein zyklopenähnliches Vergrößerungsauge immer noch das exakte Gewicht des
Stehers an.
    Obwohl man der Ehrlichkeit halber sagen muss, dass meine
Mutter die Waage meines Wissens nie benutzt hatte, aus Gründen, die sie immer
verschwieg, und mein Vater, den ich als Alltagsphilosophen sehr schätzte und
ihn schmerzlich vermisse, immer meinte: ›Durch das ständige Abwägen, wiegen
oder nicht wiegen mit der Waage, wage ich die Diagnose, die Welt wird durch
Gewichtskontrolle auch nicht besser.‹
    Sentimental schaute ich den leicht rostigen Zeiger an, der
über der Skala in Pfundeinteilungen zitterte.
    »Heiland Sakrament noch mal! Drecksbier!«
    Ich fuhr mir über den behaarten Bauch und zog ihn ein, bis
ich keine Luft mehr bekam. Das war auch keine Lösung. Mir fiel das eine
Liedchen ein, das für ein kalorienreduziertes Produkt aus dem
Genussmittelsektor warb und sang: »Ich will so bleiben, wie ich bin …«
    Gut aufgelegt hüpfte ich von der Waage. Zitternd sprang der
mahnende Zeiger dorthin, wo er auch hingehörte – auf die Null-Position.
    Für den besonderen Anlass der Doppelbeerdigung wählte ich
aus dem Schrank einen der beiden Anzüge, die ich von meinem Vater behalten
hatte. Beide passten mir nicht wirklich, aber auf dem Land konnte man so etwas
immer noch tragen. Der dunkle Anzug schien mir dem Anlass entsprechend am
geeignetsten. Auf diesen Anzug war meine Mutter besonders stolz gewesen, er war
aus dem pflegeleichten Material Strapatex. Und bis heute macht er dem Namen,
der Unverwüstlichkeit suggeriert, noch alle Ehre. Aus

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