Gott sacker Kriminalroman
an unserem üppigen Mahl teilhaben zu
lassen. Wir bitten dich, erhöre uns.« Zögerlich stimmte die Gemeinde in den liturgisch
bekannten Sprechrefrain ein.
Cäci war stolz, den absurden Begriff ›Leberspätzle‹
eingebracht zu haben und fragte sich wohl im
Stillen, ob Deodonatus durch den Sturz gegen den Lattenzaun ernstere Schäden
davongetragen hatte.
Fünf ewige Sekunden war es
mucksmäuschenstill in der Kirche, nur die Hitze lärmte. Cäcilia nickte
auffordernd in den lichtdurchfluteten Kirchenraum hinein. Dann kam der
Stichwort-Zuruf aus der ersten Reihe: »Sünde.«
Der fünfjährige Paul-Josef
Hallinger, verhaltensauffälliger Nachzügler in der bürgermeisterlichen Familie,
freute sich sichtli ch über seinen Beitrag. Cäci nickte andächtig in
meine Richtung. Ich befürchtete berechtigterweise das Schlimmste für mich, weil
mein freies Reden oft unkontrollierbare Wege wählte, die ich schlecht wieder
verlassen konnte.
»Ähm … Sünde. Schon Jesus hat gesagt, wer frei
von Sünde ist, möge den ersten Stein erheben und ihn auf die Ehebrecherin
werfen. Also ähm … Ehebruch ist ja heute bei vielen Frauen so richtig in
Mode gekommen. Sie sehen im Fernsehen nichts anderes als
Geschlechtsgenossinnen, die vor lauter Langeweile die Ehe brechen. Selbst
Frauen um die 50 scheinen einer Affäre nicht abgeneigt. Diese medialen …
ähm, Beispiele werden nun von vielen auch schon reiferen Frauen von 30 Jahren
oder mehr nachgeahmt. Frauen, die Familie und ein Zuhause haben, einen Mann,
der hart arbeitet … und ähm …, die Kinder sind in der Schule,
der Mann ist bei der Arbeit. Die Wäsche macht die Maschine. Tiefkühlessen ist
in Minuten servierfertig, und dann weiß eine junge Mutter heute eben den ganzen
Tag nicht, was tun und gibt sich aus Langeweile dem Ehebruch hin …«
Ich bemerkte einen Stoß gegen mein Schienbein, Cäci lächelte
ihr hellstes Lächeln in die irritierte Gemeinde. Ich fuhr fort: »… Herr,
gib diesen fehlgeleiteten Frauen die Kraft, ihren Kindern ein selbst gekochtes
Mittagessen, es müssen ja nicht fünf Gänge sein, auf den Tisch zu stellen.
Herr, gib diesen Frauen auch die Kraft, den Verlockungen des männlichen
Fleisches zu widerstehen. Herr, gib uns Männern aber auch die Kraft, den Frauen
zu sagen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ein Leben auf dem Land ohne
Ferrari und Silikonimplantate kann auch ein erfülltes Leben sein.«
»Wir bitten dich, erhöre uns«, klang es sonor von der
Männerseite her.
Ich wusste sofort selbst, dass meine Fürbitte kein
rhetorisches und gedankliches Highlight war, aber besser als nichts zu sagen,
war es allemal. Außerdem hatte mir Cäci den Schlamassel eingebrockt. Meine
Aufgabe hier ist mesnern und nicht predigen.
»Täter«, klang es blond aus den hinteren Reihen.
Aus der Orgelempore war das Rumpeln und atonale Musizieren
einer umfallenden Gitarre zu hören. Deodonatus richtete sein Auge strafend nach
oben.
»Herr, wir wissen, dass jemand auf fürchterliche Weise
schuldig wurde. Der Täter ist vom Feuer des Hasses erfüllt, er hat Unschuldige
getötet. Möge er vor dir Gnade wie ein Kind finden. Hier auf Erden soll er
seiner gerechten Strafe nicht entgehen. Wir bitten dich, erhöre uns.«
Cäci hatte es eindeutig besser gemacht als ich, eigentlich
schade, dass katholische Frauen nicht Pfarrerin werden dürfen, Cäci hätte eine
sehr gute abgegeben. Es kamen keine weiteren Zurufe mehr aus der sonntäglich
gekleideten Gemeinde. Deodonatus schien erleichtert und spulte routiniert den
restlichen Gottesdienst herunter. Lediglich Missklänge des Organisten ließen
einige Köpfe um 180 Grad drehen.
Zum Abschluss lud Deodonatus mit einer weit ausladenden Geste
zum morgigen Doppelbegräbnis ein.
14
Der Mann grübelte. Hatte er doch einen Fehler
gemacht? Nervös blätterte er im Alten Testament, ohne die Seiten zu beachten.
Hatte sie ihn gemeint, als sie die Fürbitte sprach oder war es Zufall? Aber der
Mann wusste, dass es keine Zufälle gibt. Sie hatte ihn und nur ihn gemeint.
Dann schlug er das Buch Genesis auf und las:
›23,6 Hör uns an, Herr! Du bist ein
Gottesfürst in unserer Mitte. In der vornehmsten unserer Grabstätten darfst du
deine Tote begraben. Keiner von uns wird dir seine Grabstätte versagen und
deiner Toten das Begräbnis verweigern.‹
Die Textstelle hatte ihn bestätigt, gestärkt
stand er auf. Er legte das Buch in die Schublade zurück und lief
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