Gott sacker Kriminalroman
Buchseiten waren hervorragend. Alles, was
nicht unter dem Feuer gelitten hatte, war deutlich zu erkennen. Auf dem
Computerbildschirm waren auf den Buchseiten filigrane handschriftliche Einträge
mit Datumsangaben zu sehen. Leider konnten weder Deo noch ich die Einträge
lesen, die Schrift war Sütterlin und somit schon mehr als 50 Jahre aus der
Mode.
Auf Fotopapier druckte ich die Seiten aus. Frieda konnte
Sütterlin bestimmt noch lesen. Gerade als wir aus dem Haus wollten, klingelte
das Telefon.
Es war Cäci.
18
Das Buch Numeri:
›19,11 Wer irgendeinen toten Menschen
berührt, ist sieben Tage lang unrein.
19,12 Am dritten Tag entsündigt er sich
mit dem Reinigungswasser, und am siebten Tag wird er rein. Wenn er sich am
dritten Tag nicht entsündigt, dann wird er am siebten Tag nicht rein.
19,13 Jeder, der einen toten Menschen,
einen Verstorbenen, anrührt und sich nicht entsündigt, hat die Wohnstätte des
Herrn verunreinigt. Ein solcher Mensch muss aus Israel ausgemerzt werden, weil
er sich nicht hat mit dem Reinigungswasser besprengen lassen. Er ist unrein;
seine Unreinheit haftet ihm immer noch an.‹
Der Mann steckte die Bibel hektisch zurück in
die Schublade. Er sprang auf, der alte Schulstuhl aus Buchenholz mit seiner
gebogenen Lehne fiel krachend zu Boden. Der Mann war völlig verschwitzt und von
oben bis unten mit Erde beschmutzt.
Heilandzack, Reinigungswasser, ich brauche Reinigungswasser.
Ich habe den Toten berührt, nur mit Reinigungswasser kann ich mich entsündigen.
Wenn nicht, werden sie mich ausmerzen.
Das war eine Scheiß-Arbeit, obwohl an dem alten Sack nichts
dran ist, hab ich ihn schier nicht aus dem Grab bekommen, … und die Margot, die
Zeit war zu knapp, auch egal.
Der Mann schlich sich in der morgendlichen
Dämmerung zur Kirche. Nebelschwaden trieben über dem Ried. Die ersten Vögel
wurden aktiv. In der Werkstatt hatte er sich ein Stück vom Gartenschlauch
abgeschnitten und einen leeren Plastikkanister mitgenommen. Er kannte in der
Kirche alle Gefäße, die mit Weihwasser befüllt waren. Zuerst ging er zum
Portal, dort erhoffte er sich die größte Ausbeute.
Er steckte den Schlauch ins steinerne Weihwasserbecken,
saugte auf der anderen Seite das Wasser kurz an. Drückte rasch den Daumen
zwischen seine Lippen und das Schlauchende, um die Öffnung zu verschließen.
Dann senkte er die Hand hinab zum Plastikbehälter, der auf dem steinernen
Kirchenboden stand. Er zwängte den Schlauch in die kleine Öffnung und ließ
dabei den Daumen zur Seite gleiten. Das Weihwasser lief gurgelnd in das
Behältnis.
Nachdem er alle Weihwasser-Gefäße geleert hatte, verließ er
die Kirche.
Zu Hause füllte er in seinem Badezimmer das
Weihwasser in eine große blaue Plastikwanne. Er zog seine Kleider aus, nahm ein
Stück Seife, stellte sich in die Wanne und begann zu singen:
»Ich bin getauft auf deinen Namen,
Gott Vater, Sohn und Heilger Geist;
Ich bin gezählt zu deinem Samen,
zum Volk, das dir geheiligt heißt.
Ich bin in Christum eingesenkt,
ich bin mit seinem Geist beschenkt.«
Heilandhurensakrament
aber auch! Die Seife war ihm entglitten. Er stieg aus der Plastikwanne, holte
sie und sang weiter:
»Du hast zu deinem Kind und Erben,
mein lieber Vater, mich erklärt.
Du hast die Frucht von deinem Sterben,
mein treuer Heiland, mir gewährt.
Du willst in aller Not und Pein,
o guter Geist, mein Tröster sein.«
Immer wieder leerte er sich Wasser, das er
ächzend aus der Wanne mit beiden Händen hob, über seinen Kopf, seine Stimme
wurde lauter, als er die dritte Strophe anstimmte:
»Mein treuer Gott, auf deiner Seite
bleibt dieser Bund wohl feste stehn;
wenn aber ich ihn überschreite,
so lass mich nicht verloren gehn;
nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an,
wenn ich hab einen Fall getan.«
Beinahe hatte er das Gleichgewicht verloren, als
er versuchte die Füße zu reinigen. Nach einer kurzen Atempause sang er leise,
fast flüsternd weiter:
»Ich gebe dir, mein Gott, aufs neue
Leib, Seel und Herz zum Opfer hin;
erwecke mich zu neuer Treue
und nimm Besitz von meinem Sinn.
Es sei in mir kein Tropfen Blut, …
Blut, Blut … Scheißblut,
der nicht, Herr, deinen Willen tut.«
Weil immer mehr Weihwasser um den blauen Trog
herum verspritzt war, stieg der Mann vorsichtig heraus. Er nahm ein
Frotteehandtuch, legte es auf die nassen Stellen, wartete, bis das Tuch
vollgesogen war und
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