Gott sacker Kriminalroman
besuchten
ab und zu das Waldstück und kamen desillusioniert wieder zurück. Es war nichts
Besonderes. Manchmal trafen sich am Rande des Trichters Jugendliche zum Saufen,
selten sah man dort auch nächtliche Liebespaare in ihren Autos.
Der Mann lief weiter bis zum Rand des Waldes.
Von dort aus ging er nach rechts am angrenzenden Acker entlang und wählte dann
einen unscheinbaren Durchgang nach links. Er zwängte sich mit seinem Fahrzeug
durch niedrige Hecken. Er folgte wenige Meter dem Wildpfad, den er immer
nutzte, wenn er zu der Stelle ging. Von hier ab konnte er die Schubkarre nicht
mehr einsetzen. Das Unterholz war oft zu dicht, viele Wurzeln verhinderten ein
gutes Vorankommen und immer wieder lagen umgestürzte Bäume über dem Pfad, den
er ging. Er hatte Spaten und Schaufel geschultert, die Spitzhacke würde er
holen, wenn er sie tatsächlich benötigte. Aber die Erde an der Stelle war
bestimmt noch nicht ausgetrocknet. Schon lange war er nicht mehr hier gewesen.
Auf dem Weg zur Stelle kam ihm das Lied vom Luther Mate in den Sinn. Obwohl er
mit den Wüstgläubigen nichts im Sinn hatte, gefiel ihm dieses Lied in einigen
Strophen besonders gut. Mit fester Stimme hob er an, hier würde ihn keiner
hören, nur ›es‹:
»Aus tiefer Not schrei ich zu dir,
Herr Gott, erhör mein Rufen.
Dein gnädig Ohren kehr zu mir
Und meiner Bitt sie öffnen.
Denn so du willst das sehen an,
Was Sünd und Unrecht ist getan,
Wer kann, Herr, vor dir bleiben?«
Die folgenden Strophen übersprang er, sie waren
ihm nur noch bruchstückhaft in Erinnerung. Außerdem war er Katholik, deshalb
ging es ihn sowieso nichts an, was dieser Mate Luther zu sagen hatte. Obwohl es
ihm schon lange egal war, was katholisch oder evangelisch war. Deshalb begann
er die letzte Strophe des Liedes in Anlehnung an ein ordinäres Sauflied, das er
immer schon verachtet hatte:
»Scheißegal, scheißegal;
Ob katholisch oder evangelisch;
Ob bei uns ist der Sünden viel,
Bei Gott ist viel mehr Gnaden;
Sein Hand zu helfen hat kein Ziel
Wie groß auch sei der Schaden.
Er ist allein der gute Hirt,
Der Israel erlösen wird
Aus seinen Sünden allen.«
Singend war er an der Stelle angekommen. Trotz
der langen Dürre war die Erde an diesem unheimlichen Ort tatsächlich immer noch
feucht. Unter seinen Schritten gab sie leicht nach. Hier, an der tiefsten
Stelle im Gehölz, gab es keine Buchen und Eichen mehr, hier standen, zum Teil
schief, flach wurzelnde Nadelhölzer und gaben dem Ort seinen düsteren
Charakter. Auf dem Boden stand verschmutzt und schief das rotgläserne ewige
Licht, das er vor Jahren hier aufgestellt hatte. Er schob es beiseite und fing
zu graben an.
Vorsichtig setzte er den Spaten in die weiche moorige Erde.
Er war zufrieden, so würde seine Grabarbeit hier bald beendet sein. Doch dann
kamen die Hindernisse, die flach wurzelnden Tannen hatten ihr unterirdisches
Geflecht über den weichen Boden um den Stamm herum fingerartig ausgebreitet.
Überall stieß er auf Wurzeln. Er versuchte, die teilweise armdicken Gebilde mit
dem Spaten zu durchschlagen, er hatte keine Chance.
»Herrgott Sakrament noch mal!«
Fluchend ging er zurück zur Schubkarre und holte die
Spitzhacke. Er schaute sicherheitshalber durch die Äste der den Wald
begrenzenden Büsche hinaus zu den Feldern. Bis zum Ortsrand hin war niemand zu
sehen. Die heiße Luft stand wie Seifenblasenwasser über den Feldern Riedhagens.
Er legte sich das spitze Grabinstrument über die linke Schulter und stapfte
wieder zurück zur Stelle. Er murmelte vor sich hin:
»Das Kind, das war so krank und klein,
der Pfaffe ist ein rechtes Schwein,
die Margot schlag ich morgen tot,
den Pfaff holt ich im Morgenrot.
Das Schwesterlein, das Schwesterlein
litt große Pein.
Da kommt das Brüderlein daher,
der Pfaff erzählt ihm eine Mär.
Da hol ich mir die Schweine halt,
verscharre sie im dunklen Wald.«
Als er die Verse zu Ende gesprochen hatte,
lachte er laut in den Wald hinein.
Dichter, ich hätte auch Dichter werden können.
In bester Laune ging die schwere Arbeit mit dem richtigen
Werkzeug nun besser voran. Früher standen da keine Bäume, hier waren damals
niedere Büsche. Nur am Rande des Hagellochs standen damals schon die Eichen und
Buchen und wenig Nadelgehölz.
Bald musste es soweit sein, dann müsste er das Bündel
entdecken. Aber die Arbeit war komplizierter, als er dachte, er hatte schon
tiefer
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