Gott sacker Kriminalroman
gegraben, als die Erinnerung ihn ermutigte. Vielleicht hatten die
Wurzeln beim Wachsen das Bündel verschoben. Er grub fluchend immer weiter um
das Zentrum herum und wollte schon aufgeben.
Doch dann tauchten einen Meter von der gedachten Stelle
braune Leinenfetzen auf. Er wusste, dass er ›es‹ gefunden hatte.
Mit den Händen grub er in der nassen, sauren Erde weiter, die
aus verrotteten Pflanzenresten bestand. Dann hatte er das schmutzige Bündel
freigelegt. Es lag da wie ein überdimensionaler Engerling.
Er nahm das Bündel mit beiden Händen aus der Mulde, die sich
allmählich mit braunem riedigem Wasser füllte.
Die Neugierde trieb ihn. Noch einmal wollte er ›es‹ sehen. Die Leinenstoffbahnen ließen sich
leichter als erwartet lösen. Einige Fetzen zerfielen unter seinen vorsichtigen
Fingern, dann sah er ›es‹ und erschrak wieder. Die moorige Erde hatte ›es‹ all
die Jahre bestens konserviert. Er erschrak auf die gleiche Art, wie er vor
vielen Jahren auch erschrocken war, als er ›es‹ zum ersten Mal sah.
Er wickelte ›es‹ wieder so gut wie möglich ein. Die
Grabwerkzeuge ließ er einfach liegen und trug das schmutzige Bündel wie eine
kostbare Fracht vor sich her. Dann war er bei der Schubkarre angelangt. Unter
der Decke holte er die Holzkiste, den kleinen Sarg hervor, den er in seiner
Werkstatt selbst hergestellt hatte. Er passte nicht ganz, er hatte die Größe
falsch eingeschätzt. Er hatte ›es‹ winziger in Erinnerung, und so drückte er
einfach, bis ›es‹ hineinpasste. Schnell setzte er den Deckel auf und drehte die
Schrauben mit seinem roten Taschenmesser mit dem weißen Kreuz durch die
vorgebohrten Löcher. Als er das weiße Kreuz auf dem roten Grund sah,
bekreuzigte er sich und sprach ein Ave Maria.
Er versteckte den kleinen Sarg unter der Decke in der
Schubkarre.
Dann kehrte er noch einmal zum Loch zurück und holte seine
Werkzeuge, danach zog er mit der Schubkarre los. Links in weitem Bogen am Dorf
vorbei durch den Moosforst hin zum Ried. Es war ein Umweg, aber durch das Dorf
traute er sich nicht mit dieser Fracht.
Die Sonne brannte ihm auf die nackten Hände, seine weiße
Mütze schützte ihn von oben. Er bereute es nicht, keine kurzen Hosen angezogen
zu haben. Das wäre der Situation nicht angemessen.
Die Ein-Mann-Prozession bewegte sich über die vor Hitze
flirrende Ebene durch die Felder bis hin zu den ersten Hecken und Fichten des
Moosforstes, von dort ging es im Schatten der Tannen-Monokultur hinunter ins
Ried. Als er aus dem Moosforst herauskam, sah er schon sein Ziel hell leuchtend
neben der schmalen, kaum befahrenen Straße liegen. Er hatte keine Sorge, noch
ein paar wenige Meter hinunter, dann würde man ihn hinter den hohen Binsen auch
von der Straße her nicht mehr sehen können. Und wenn … ein Mann im Ried
mit einer Schubkarre ist nichts Ungewöhnliches.
Als er hinter der Wendelinus-Kapelle angekommen war,
verschnaufte er zuerst.
Hier hatte ich die alte Hexe zwischengelagert, als schon
anfangs alles schiefging. Von hier aus sollte dann der spätere Wechsel sein,
wenn die dumme Sau auf natürliche Art durch den Hunger der Maden leichter
geworden wäre. Die Natur hätte bei diesen Temperaturen in wenigen Wochen gute Arbeit
geleistet. Und hier kommen nie Wanderer vorbei.
Wenn man sie vorher nicht gefunden hätte, hätte ich ihre
Gebeine problemlos zum Schindanger fahren können. Sie war einfach zu schwer,
die fette Kuh, ich hatte mich überschätzt. Auch mit dem alten Pfarrer, dem
geilen Fettsack. Aber Hauptsache, er liegt hinter der Mauer. Wer das Zeichen
verstehen will, kann es auch deuten. Und dann wird man auch mich verstehen.
Die fette Margot, die konnte ich nur bergab transportieren,
das übergewichtige Luder. Und selbst das war nicht einfach. Gott sei Dank hat
sie immer Wert auf Qualität gelegt und ihr Koffergefährt ist unter ihrem
Gewicht, als ich sie über dem geleerten Kofferteil festzurrte, nicht
zusammengebrochen. Qualität zahlt sich doch aus. Schon eigenartig, dass sie
ihren eigenen Leichenwagen dabeihatte. Die Kleider darin und ihre hässlichen
Schuhe gammeln im Ried – und nur ich weiß wo.
Dass sie so schnell gefunden wurde, hat mir einen Strich
durch die Rechnung gemacht. Alles ist durcheinandergekommen, alles. Scheiß
Motorradfahrer, aber er kann nichts dafür. Der Herr will mich ständig prüfen.
Ich darf jetzt keine Fehler mehr machen, der Herr würde es mir nie verzeihen.
Es
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