Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
Vom Netzwerk:
die in Cape Esperance landete, auf dem Numa-Numa-Atoll, jawoll, Sir, am achtzehnten September 1944 – «
    Während der Wachmann seine ausgebeulte Brusttasche durchforschte, die vollgestopft war mit Notizbüchern und so vielen Kugelschreibern, wie ein Kosak Patronen im Gürtel hat, und nach einem photographischen Beweis für seine Bekanntschaft mit General Scheidemeyer fahndete, floh der Präsident aus dem Bann dieser nostalgischen Kameraderie. »Ein prächtiger Mann, ein prächtiger Soldat is’ er, unser General Arnold B. Scheidemeyer.«, konnte der Wachmann dem Präsidenten noch nachrufen, bevor seine Einsamkeit ihn wieder einhüllte und jener traurigen Sentimentalität auslieferte, die manche Menschen im letzten Stadium des Suffs zu befallen pflegt. Hier aber genügte die Einsamkeit. Der Präsident schloß die Tür zwischen sich und einer Welt gemeinsamer Erfahrungen und trat vor sein Bücherregal. Vorsichtig zog er einen Band der gesammelten Schriften Ralph Waldo Emersons heraus, griff ins Regal und zerrte ein fleckiges rotes Album hervor.
    Er trug es zu seinem Schreibtisch, und mit der Bedächtigkeit eines Diebes, der seine Beute taxiert, griff er in seine Tasche und zog die Briefumschläge hervor, die er eingesteckt hatte. Den ersten legte er enttäuscht beiseite. Den zweiten strich er glatt und examinierte ihn genauer. Dann schlug er sein Album auf und gestattete sich einen kleinen Freudenschrei.
    »Eine saudiarabische Schwarze 3-Rial!« sagte er laut. Er zog eine Tube Kleister aus seiner Schreibtischschublade und schickte sich an, die Briefmarke auf die entsprechende Seite seines Albums zu pappen.
    Dann entdeckte er eine thailändische Zehn-Bath- Luftpostmarke, mit Tempeltänzerinnen als Motiv, und ärgerte sich über eine französische Sechzig-Franc-Marke, die das Jubiläum der französischen Force de frappé feierte. Eben wollte er, mit vorsichtigen Fingern, eine hübsche südlaotische Fünfundzwanzig-Kip mit dem Bild eines Babys in Gasmaske von ihrem Briefumschlag lösen, als es an der Tür klopfte. Er tat, als hörte er nicht. Das zweite Klopfen klang energischer. »Was ist?« rief der Präsident. »Bill, ich bin’s, Grace.«
    »Um Gottes willen, Grace. Ich ruhe mich aus!«
    »Was tust du da drin?«
    »Ich ruhe mich aus!« brüllte der Präsident. »Mach die Tür auf!«
    Der Präsident versuchte, den Befehl zu überhören. Die Türklinke fing an zu rattern. Wütend sprang der Präsident zur Tür und riß sie auf.
    »Warum hast du dich eingeschlossen?« fragte Mrs. Holm sanft. Dann aber, nach einem prüfenden Blick durch den ganzen Raum, bekam ihre Stimme einen Ton tiefster Enttäuschung, als habe sie einen trockenen Trinker mit einer Schnapsflasche ertappt. »Oh, nein«, sagte sie.
    »Was soll das heißen: >Oh, nein    »Pssst, leise!« flehte Grace und schloß die Tür hinter sich. »Du weißt doch, was Don Rosco dir gesagt hat.«
    »Na, was hat Don Rosco gesagt?«
    »Über dein Image in der Öffentlichkeit.«
    »Hör mal zu«, sagte der Präsident mit Bestimmtheit. »Ich bin ein erwachsener Mann, und ich habe ein Recht auf ein eigenes Leben – «
    »Du bist der Präsident, Bill«, unterbrach sie ihn. »Du bist kein Mann mehr wie jeder andere. Du darfst es nicht sein. Es ist genau das, was du wolltest. Auch wenn du es niemals für möglich gehalten hast. Nun, es ist möglich geworden, es ist geschehen, Bill, auch wenn ich es kaum fassen kann. Manchmal erwache ich wie aus einem Traum und sage mir: >Bist du das wirklich, Grace Line Collins aus Clambake Heights, Minnesota? Bist du das wirklich, als First Lady der ganzen Nation, im Weißen Haus?< Ja, Bill, so ist es. Es ist kein Traum, und das müssen wir begreifen. Es ist Realität geworden, eine ganz wunderbare Realität, eine tief beglückende Realität, und viele wunderbare und reale Menschen haben dazu beigetragen, diese Realität Wirklichkeit werden zu lassen. Jetzt müssen wir diesem großen, herrlichen Traum gehorchen, der uns hierher gestellt hat, an diesen Platz, auf dem wir stehen.« Ein so unverdorbener, so reiner Idealismus, besonders wenn er quellfrisch den Lippen einer Frau entströmte, die ihm zwei brave Söhne und drei wunderbare Töchter geboren hatte, was zusammen eine wunderbare Familie ausmachte, beschämte den Präsidenten, und er empfand Reue. Er hörte ihr zu und kommunizierte mit ihr, wie ein Frommer mit seinem

Weitere Kostenlose Bücher