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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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mit guten, aber realitätsfernen Ratschlägen versorgten, sondern weil Don Rosco ihn vor jeglicher Fröhlichkeit bei solchen Anlässen gewarnt hatte.
    »Wir wollen nicht das Gefühl bekommen, als gäbe es einen exklusiven Präsidentenklub, der Anekdoten austauscht«, hatte er gesagt. »Wir wollen das Gefühl haben, daß das Präsidentenamt große Opfer verlangt, harte Arbeit. Wir wollen das Gefühl haben, daß der Präsident auf ein normales Leben verzichtet, damit andere Amerikaner es genießen können. Wirken Sie übermüdet, wirken Sie verärgert – das ist menschlich –, aber wirken Sie niemals fröhlich. Überlassen Sie das Lächeln den anderen. Die haben es sich verdient. Die sind im Ruhestand, ältere Mitbürger.«
    Um die patriotischen Seiten der Mission noch stärker hervorzuheben, arrangierte Don Rosco die Berufung des Präsidenten zum Ehrenhäuptling der Taktaminnehoe-Indianer vom Stamme der Schwarzfuß in einem Reservat in Montana. Es brauchte viel Überredungskunst, bis die Taktaminnehoe sich bereit fanden, Präsident Holm als einfachen Krieger aufzunehmen, geschweige denn als Häuptling. Bei der letzten Wahl hatten sie geschlossen für die Opposition gestimmt. Endlich aber ließen sie sich erweichen, als Washington ihnen versprach, irgendwelche Territorialansprüche aus der Zeit der Indianerkriege wohlwollend zu überprüfen. Am Vorabend seiner Abreise nach Genf posierte der Präsident für die Photographen mit einem Kopfputz aus Adlerfedern und einem, so schien es, mit Freimaurersymbolen bedruckten hemdähnlichen Gewand; dazu schmauchte er eine endlos lange, widerlich stinkende Pfeife. Würdige Krieger tanzten in nervtötend engem Kreis um ihn herum, schwangen den Tomahawk, hüpften vorsichtig über ein kleines Freudenfeuerchen und leierten dabei ihre Gesänge für die Fruchtbarkeit der Erde und die Tapferkeit im Kriege.
    Damit war ein weiteres, erfolgreiches Image in die Welt gesetzt. »Ich weiß, es war anstrengend«, sagte Don Rosco nachträglich zum Präsidenten. »Aber es war gut für die Presse. Alle Zeitungen bringen die Taktaminnehoe-Story. Die amerikanische Öffentlichkeit hat ein schlechtes Gewissen gegenüber den Indianern. Ist Ihnen im Fernsehen aufgefallen, daß der Bösewicht nicht mehr der Indianer ist, sondern der Kavalleriegeneral, der Profitmacher, der ihnen alte Flinten verkauft? Neger und Juden sind zu kontrovers für das Image, das wir diesmal brauchen. Die Nation fängt eben erst an, ihretwegen Schuldgefühle zu entwickeln. Ich habe nichts einzuwenden, wenn Sie bei einer Jarmulke auftreten oder ein paar farbige Konteradmirale oder Bezirksrichter mehr einsetzen. Einverstanden. Aber erst, wenn Sie von der Reise zurück sind. Diesmal brauchen wir ein Gefühl der Solidarität und Tradition.«
    Genf verwirrte die vielköpfige amerikanische Delegation, denn die Leute waren auf ihre eigene, ganz unvergleichliche Lebensart programmiert. Die Villen, in denen sie untergebracht waren, wirkten altmodisch und romantisch; das Dienstpersonal, das die erfahrenen Schweizer ihnen bereitstellten, war korrekt und unerhört tüchtig, aber ohne auch nur einen Moment etwas von jener menschlich entspannten Atmosphäre aufkommen zu lassen, die den Amerikanern vor allem anderen ein Gefühl der Identität und des nationalen Zusammenhalts bietet. Ein paarmal versuchte der Präsident, mit dem Butler Witze zu reißen, aber dieser verstand entweder nicht, oder er betrachtete solchen Kontakt als momentane Entgleisung, über die man lieber hinwegsah. Der Präsident bekam bald das Gefühl, von Robotern, oder schlimmer noch, von Sklaven umgeben zu sein. Liebevoll dachte er an George, den Wachmann, zurück. Das war ein Mann ohne Hemmungen, der wußte, daß er ein freier Bürger war. Wann immer der Präsident nach einem Sandwich und einem Bier klingelte, brachte man ihm ein vollständiges Menü. Alles, was hinter einer Mahlzeit von drei Gängen zurückblieb, schien unter der Würde dieser Leute. Nachdem er es endlich geschafft hatte, ihnen verständlich zu machen, daß er nur nach einer Flasche kühlen Bieres verlangte, kam diese stets in einem bukolisch verzierten Silberkühler, wie Champagner, serviert zum Zweck einer kunstgerechten Verführung. Der puritanische Sinn des Präsidenten revoltierte gegen solche Assoziationen, und widerwärtige Visionen aus einem längst versunkenen New Orleans, der Hauptstadt des Lasters, tanzten vor seinem inneren Auge, während er es sich auf rotsamt- und blattgoldverzierten

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