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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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saßen die Amerikaner die Rede aus, auch den Applaus der gesamten sowjetischen Delegation, der eine geschlagene Dreiviertelstunde dauerte und in den auch der Redner einfiel, seine massigen Hände rhythmisch zusammenklatschend, während seine Augen mit unverhohlener Abscheu auf den amerikanischen Gesprächspartnern ruhten. Fehlte nur noch eine unverwüstliche Flamenco-Tänzerin auf dem Tisch, als Mittelpunkt all dieser Rhythmen.
    Nach dem Applaus ging man zu Tisch. Mr. Crusts Rede nach dem Essen war eine lahme und zivilisierte Angelegenheit, und den Dolmetschern fiel es schwer, für alle Nuancen und ironischen Anspielungen entsprechende russische Wendungen zu finden. Manchmal entdeckten die Russen eine unfreiwillige Stilblüte, an der sie sich festbeißen konnten, und lachten sarkastisch.
    Man hätte sich kaum eine Konferenz vorstellen können, die unter schlechteren Vorzeichen abgehalten worden wäre. Am nächsten Tag ereilte die Delegierten die Nachricht, daß eine sowjetische oder chinesische oder nordvietnamesische Rakete mit atomarem Miniatursprengkopf einen Lastkahn in die Luft gejagt habe, der den GIs als PX-Laden diente. Weil der Zwischenfall sich zur Nachtzeit ereignete, seien nur wenige Menschenopfer zu beklagen; doch der Fallout sei nach amerikanischen Reinheitsgeboten notorisch schmutzig, und riesige Mengen an Lebensmitteln in benachbarten Lagerhäusern seien kontaminiert. Die amerikanischen Militärs am Konferenztisch waren außer sich vor Empörung und protestierten energisch gegen eine Fortsetzung der Gespräche. »Wenn das ihr Spiel ist, das sie spielen wollen, okay, dann spielen wir mit«, sagte ein amerikanischer General immer wieder, wie eine hängengebliebene Schallplatte. Sowjetmarschall K. S. Pribalkow starrte schamlos und unbußfertig über den Konferenztisch, was die Sache nicht besserte. Der Secretary of State lächelte auf seine verlegene Art, als litte er an schlechter Verdauung. Sein Gesicht schien zu sagen: »Ich hab’s euch ja gesagt«, und dies in der stoischen Haltung eines alten Römers vor einem wahnsinnig gewordenen Kaiser. Mr. Schtscheparenko verlas eine lange Erklärung, wobei er Schwierigkeiten hatte, sein eigenes Manuskript zu entziffern. Die Übersetzung ergab, daß die Rede nichts Neues enthielt, das über die Patt-Situation hinausgeführt hätte, mit Ausnahme vielleicht des Satzes: »Wir werden euch ins Krematorium schicken«, was von der Presse des Westens als bislang härteste von einem kommunistischen Führer ausgestoßene Drohung hochgespielt wurde, mit allen grausigen Vorstellungen von einem totalen Atomkrieg. Tatsächlich war dieser Satz die Fehlübersetzung eines alten ukrainischen Sprichworts, das besagte: »Wessen Haus brennt, der spricht nicht mit der Stimme der Vernunft«, was selbst hartgesottene Brandstifter nicht mal im Traum bestreiten würden.
    Daß die Konferenz überhaupt fortgesetzt wurde, war das Verdienst der restlichen Welt, mit Ausnahme der Chinesen, die keinen Sinn in Gesprächen mit den Amerikanern sahen, hauptsächlich, weil die Amerikaner keinen Sinn in Gesprächen mit den Chinesen sahen, sowie der Franzosen, die zwar für Gespräche schwärmten, nicht aber für Gespräche, die ohne ihr Beisein stattfanden. Die Engländer badeten in edlen Gefühlen und gaben sich gern der Täuschung hin, ihre Stimme würde, eingedenk alter Zeiten, doch noch Gehör finden.
    Weil die solcherart zum Scheitern verurteilten Gespräche auf Grund der in sie gesetzten Hoffnungen fortgeschleppt werden mußten, verzettelten die Kontrahenten die wichtigsten Fragen der Tagesordnung auf eine Reihe von ohnmächtigen Unterausschüssen, und schließlich fand sich der Präsident allein mit Mr. Schtscheparenko und zwei Dolmetschern. Anscheinend waren die beiden Führer der Welt so gründlich übereinander informiert, daß keiner von ihnen die Initiative zu ergreifen wagte, wie zwei Boxer, die so viel über den Kampfstil des Gegners gehört haben, daß sie den eigenen nicht mehr unbefangen einsetzen können.
    Vorsichtige Platitüden über die Freiheit wurden ausgetauscht, und bald wurde, jedenfalls den Dolmetschern klar, daß jeder sich freier wähnte als der andere. Schtscheparenko sah aus wie ein Handelsvertreter aus dem Mittelwesten. Er hatte ein Durchschnittsgesicht mit aufgeworfener Nase und randloser Brille. Er hatte auch einen nervösen Tic in der Wange sowie die Angewohnheit, den Hals zu recken, als wolle er sich aus dem Zwang des Kragens befreien. Seine Stimme war sanft, und

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