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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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Verschiedenheit der Standpunkte einigen, ist dies schon ein großer Schritt vorwärts«, sagte er. »Es ist Koexistenz«, sagte Schtscheparenko. »Das Wort gefällt mir nicht, aber so ist es.«
    »Gefällt das Wort Ihnen nicht, weil wir es geprägt haben?«
    »Es ist ein häßliches Wort, für eine schöne und sinnvolle Sache.«
    »Besser ein häßliches Wort als eine häßliche Tat, wie das Töten unschuldiger Frauen und Kinder mit Atomwaffen.« Der Präsident wurde rot.
    »Sie wissen ganz genau, daß diese häßlichen Taten nicht nötig wären, wenn Sie auch nur den geringsten Respekt vor Verträgen und Menschenrechten hätten.«
    »Im Gegenteil, Ihr Wirtschaftssystem macht den Krieg unvermeidlich. Ihre Wirtschaft braucht den permanenten Anreiz des Krieges. Auch Ihr Arbeitslosenproblem, das zum Bestand Ihrer Wirtschaftsordnung gehört.«
    »Und was ist mit Ungarn?« brüllte der Präsident. »Hat unsere Wirtschaft in diesem Fall den Tod von unschuldigen und freiheitsliebenden Menschen verursacht? Oder war es die nackte Aggression einer Militärdiktatur gegen ein geknechtetes Volk, das die Freiheit zu wählen versuchte?«
    »Und was ist mit der Dominikanischen Republik?« fragte Mr. Schtscheparenko. »Sind Sie etwa besonders tolerant gegen Menschen, die versuchen, die Freiheit zu wählen?«
    »Was ist mit Ostdeutschland?« konterte der Präsident. Aber bevor er Zeit fand, die Frage zu erläutern, fuhr Schtscheparenko dazwischen. »Was ist mit Westdeutschland?«
    »Mit der Schandmauer?«
    »Mit der Wiederbewaffnung der Wehrmacht?«
    »Mit den Zwangsarbeitslagern in Sibirien?«
    »Letzte Woche wurden wieder zehn Neger vom Ku-Klux- Klan ermordet!«
    »Ah, Blödsinn«, polterte der Präsident. »Woher haben Sie das?«
    »>Prawda<«, sagte Schtscheparenko knapp, als spiele er seine Trumpfkarte aus. »Und die Nachricht von der Börsen-Hausse in New York, als Sie Ihren Atomsprengkopf abwarfen, die habe ich aus der >New York Times<.«
    »Ich will Ihnen mal die Wahrheit über die Pressefreiheit erzählen. «
    So ging es weiter und immer weiter – der Präsident lenkte Mr. Schtscheparenkos Aufmerksamkeit auf das Besondere, und Mr. Schtscheparenko lenkte den Präsidenten wieder aufs Allgemeine, und keiner von ihnen hatte die Voraussetzungen, den anderen auch nur zu verstehen.
    Minuten vor dem Ende dieser Begegnung der beiden, die, wie sich klar abzeichnete, die letzte sein würde, änderte Mr. Schtscheparenko plötzlich seine Verhandlungstaktik und schickte seinen Dolmetscher hinaus. Anfangs begriff der Präsident nicht, was da gespielt wurde, und ihm wurde bewußt, wie ungewöhnlich es sei, einen Russen allein zu sehen. Mr. Schtscheparenko machte ein paar ungeduldige Handbewegungen, um anzudeuten, daß jemand zuviel im Raum sei. »Was will er?« fragte der Präsident seinen Dolmetscher. »Er will, daß ich hinausgehe.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Er hat es viel anschaulicher ausgedrückt, Sir.«
    »Wie sollen wir uns verständigen, wenn Sie gehen?«
    »Ich habe allerdings strikten Befehl, Sie unter keinen Umständen allein zu lassen, Sir.«
    Der Präsident wurde rot vor Zorn. Dies war beinah ein Mißtrauensvotum.
    »Wer gab Ihnen diesen Befehl?«
    »G-14, Sir.«
    »Ich habe die Schnauze voll von G-14. Verschwinden Sie, sofort!«
    »Aber, Sir – «
    »Zum Teufel, verschwinden Sie! Selbst wenn er mir in Zeichensprache etwas erzählen will, das zum Weltfrieden beitragen könnte, fühle ich mich nicht an Befehle von G-14 gebunden.«
    »Okay, Sir, aber – «
    »Haben Sie mich verstanden? Welchen Eindruck machen wir auf die Russen, wenn mein eigenes Personal mir nicht gehorcht? Ist das etwa ein Beispiel für Demokratie, wenn jeder tut, was ihm einfällt? Los, packen Sie sich hinaus!« Gehorsam, aber mit schlimmen Ahnungen, ließ der Dolmetscher die beiden allein. Statt aber etwas zu sagen, ging Mr. Schtscheparenko zielstrebig von einer Tür zur anderen und verriegelte sie.
    Der Präsident, ein begeisterter Leser von Spionage-Thrillern, wurde unwillkürlich nervös und begann sich zu fragen, ob die Befehle von G-14 nicht doch einen Sinn hätten. Instinktiv trat er ans Fenster und sah hinaus. Die Tatsache, daß sie sich im fünften Stock befanden, trug nichts zu seiner Beruhigung bei.
    Nachdem Mr. Schtscheparenko die Türen verriegelt hatte, schritt er langsam die Wände entlang, spähte hinter Bilderrahmen, klopfte vorsichtig die Vertäfelung ab und untersuchte die Stützbalken.
    »Was. tun. Sie. da?« fragte der Präsident in

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