Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
Sie kochte ein Abendbrot, das sie einträchtig und sogar glücklich zu sich nahmen, und Bryan wagte es, über Veränderungen zu spekulieren, die sie vornehmen müßten, falls sich Familienzuwachs einstellen sollte.
Sie gingen zu Bett, gutwillig und mit einem Gefühl von Abenteuer, ohne das die Liebe eine leere Sache bleibt. Der gestreifte Pyjama wirkte jetzt flott, unternehmungslustig, während die Pfefferminzwolke nach einem Hauch Frühling duftete. Sie löschten das Licht und fanden einander im Dunkeln, voll Freude und voll Erleichterung.
Dann begann das Scharren – das Scharren und dann das Fallen eines schweren Gegenstandes. »Was war das?« fragte Bryan. »Oh, Schatz, wen kümmert’s?«
»Mich kümmert es.« Der Zauber war wieder verflogen.
Bryan stieß die Tür auf, und als er zurückkehrte, verkündete er mit rechthaberischer Stimme: »Die Queen-Anne-Standuhr, die dein Vater uns geschenkt hat, ist von oben bis unten zerkratzt. Und der Aufsatz ist heruntergefallen. Er liegt in Stücken.«
»Die Uhr, die Daddy uns schenkte?« schrie Angela erschrocken und stolperte aus dem Bett. Sie entdeckte Casanova und prügelte ihn gehörig durch. Er winselte leise und kroch in sein neues Körbchen, das bereits nur noch ein halbes Körbchen war, denn zernagtes Weidengeflecht lag im ganzen Haus verstreut. Angela brauchte jemanden, an dem sie ihr Schuldgefühl auslassen konnte.
»Wer hat die Tür zum Speisezimmer offenstehen lassen?« fragte sie.
»Ich hatte erwartet, in einem Haus zu wohnen, nicht im Gefängnis.«
»Es ist doch nur logisch, nicht wahr, wenn ein Welpe im Haus ist, ich meine, die Türen zu schließen.«
»Logik ist nur von relativem Nutzen, wenn man es mit einem verrückten Hund zu tun hat – ich bitte um Verzeihung, einem verrückten Welpen.«
»Oh, um Himmels willen, du bist zu Hause, nicht im Büro!«
»Jedenfalls war nicht ich es, der die Speisezimmertür offenließ.«
»Machst du mir Vorwürfe?«
Wieder konnte offensichtlich eine Nacht abgeschrieben werden, und sie endete in den frühen Morgenstunden, als Bryan ein Ultimatum stellte. Sie würde wählen müssen zwischen ihm und Casanova. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Man würde den Hund weggeben oder töten müssen. Die Tatsache, daß er in seiner geistigen und physischen Erschöpfung vorgeschlagen hatte, den Hund zu töten, empörte Angela, und sie hielt es ihm von nun an auf dem Höhepunkt jeder weiteren Auseinandersetzung vor. Als Kompromiß beschlossen sie, das Tier für ein Weilchen wegzugeben, und mit dem Instinkt einer Mutter, die spürte, daß in der Ehe ihrer Tochter etwas nicht stimmte, fand Mrs. Symington-Stobart sich bereit, Casanova aufzunehmen.
Er wurde vom Chauffeur abgeholt und schaffte es während der kurzen Fahrt, eine Armstütze und einen halben Sitz im Familien-Rolls-Royce zu zerlegen. Die Symington-Stobarts taten ihr Bestes und duldeten jede Peinlichkeit, und am Ende ihrer Geduld waren sie erst angelangt, als Casanova Mrs. Symington-Stobarts Pekinesen totbiß und ihr den Leichnam wie ein gut ausgebildeter Jagdhund im Maul apportierte, während sie im Salon mit drei anderen Damen beim Bridge saß. Sie mußte nach dieser Tragödie zur Schlafkur ins Sanatorium, aber ihr Gatte, rasend vor Wut, konnte Casanova nirgends finden. Er war ausgerissen.
Während seiner Abwesenheit herrschte eine merkwürdige, drückende Stille in Angelas Haus. Wenn Bryan im Büro war, begann sie das Tier zu vermissen, erst heimlich und ungläubig, dann ganz offen. Jetzt, da sie frei war, mit ihrem Tag anzufangen, was sie wollte, wollte sie nichts mit ihm anfangen. Sie bekam jenen harten, spröden Gesichtsausdruck, den unbefriedigte Frauen haben, und in ihrer Zwanglosigkeit lag etwas Gezwungenes. Selbst ihre Zerstreuungen schienen sorgfältig geplant, und ihre Konversation war beängstigend kühl. Wenn Bryan abends nach Hause kam, fand ihre Unzufriedenheit ein Ziel. Inzwischen war der Hund durch seine Abwesenheit spürbarer zugegen als vorher. Jetzt gab es keine Katastrophen, die die Aufmerksamkeit der beiden von dem beharrlichen Schweigen während ihrer Mahlzeiten und der Stille ihrer Nächte abgelenkt hätten. Sie waren nicht verheiratet. Sie lebten nicht einmal zusammen. Sie wohnten nur unter demselben Dach.
Und in Bryans Abwesenheit geschah es eines Tages, daß Angela in Versuchung geriet. Sie wählte Gyles’ Nummer und legte den Hörer auf, bevor jemand Zeit fand abzunehmen. Ihre Wangen glühten vom Gefühl der Gefahr, und sie
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