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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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geriet durch die Verwegenheit ihrer Tat in eine Art ruchloser Ekstase. Am nächsten Tag ging sie eiskalt noch einen Schritt weiter. Es wurde ihr mitgeteilt, er werde gegen acht zurück sein. Ob sie eine Telephonnummer hinterlassen wolle? Nein, das wollte sie nicht. Acht sei ein bißchen spät für sie. Sie würde es morgen wieder versuchen.
    Sie tat es. Gyles schien entzückt, aber nicht überrascht, ihre Stimme zu hören. »Wie macht sich das Hündchen?«
    »Oh, sehr gut. Vielen Dank. Er ist mächtig gewachsen. Im Augenblick ist er auf dem Land.«
    »Im Grunde ist er ein Hund wie geschaffen fürs Land.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Behandle ihn hart. Es sind sehr launische Hunde, und sie lieben es, hart angefaßt zu werden. Eine sehr feminine Rasse, wie man sieht. Übrigens, wie nennst du ihn?«
    »Casanova.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. »Besonders passend«, sagte Gyles. »Und wie läuft die Ehe?«
    »Was geht dich das an?« antwortete Angela. »Ich will es wissen, falls ich mich je versucht fühle, das Geschlecht fortzupflanzen.«
    »Sie hat ihre Vor- und Nachteile.«
    »Wie ist er im Bett?«
    »Du bist das Allerletzte, ehrlich«, sagte Angela, die vor Erregung errötete.
    »Wieso? Ist das nicht wichtig?« fragte Gyles unschuldig. »Das ist es. Sehr wichtig sogar. Falls du’s wissen mußt, er ist absolut großartig.«
    »Ich hätte dir diese Frage nicht stellen sollen.«
    »Warum um Himmels willen nicht?« Angela war plötzlich großzügig.
    »Weil es sehr enttäuschend ist, falls es stimmt. Und weil es sehr traurig und sehr tapfer ist, falls nicht.« Wieder entstand eine Pause, eine sehr lange. »Wie ist deine Telephonnummer?« fragte Gyles schließlich. »Typisch.«
    »Was ist?«
    »Du bist sogar zu faul und arrogant, um im Telephonbuch nachzuschlagen.«
    Sie legte auf und stellte sich seine Stimme vor, wie sie am anderen Ende »Angela. Angela!« rief.
    Ihr Tagtraum wurde unterbrochen, als das Telephon klingelte.
    Er kann es noch nicht sein, dachte sie, es sei denn, er hätte vorher die Nummer nachgeschlagen. »Hallo«, sagte sie.
    Es war ihr Vater, der sie schalt, sie verbringe ihr ganzes Leben am Telephon. »Konnte einfach nicht durchkommen«, knurrte er und erzählte ihr dann die ganze bedauerliche Geschichte vom Tod des Pekinesen.
    »Aber wo ist Casanova jetzt?« fragte Angela aufgeregt. »Du bist wirklich merkwürdig, Angela«, sagte Major Symington-Stobart. »Li-Pong ist tot, deine Mutter wurde in fortgeschrittenem Schockzustand ins Smallwood-Hill- Sanatorium eingeliefert, und du machst dir nur Sorgen, wo dieser verfluchte Welpe steckt.«
    »Ich will wissen, wo er ist«, beharrte Angela in unangenehmem Ton.
    »Weißt du, daß er den Rolls praktisch zerlegt hat? Der Tennisplatz ist eine einzige Schweinerei, die Petit-Point-Sessel sind nicht mehr zu reparieren, das ganze Haus liegt bis unters Dach voll Baumwolle und Porzellanscherben, und er hat Ambrose beinah einen Finger abgebissen. Wäre Ambrose nicht schon so lange bei uns – «
    »Daddy!« unterbrach Angela mit drohender Beharrlichkeit. »Was?«
    »Ich habe dir eine Frage gestellt.«
    »Ich habe nicht die blasseste Ahnung, wo der Satansköter steckt. Und obendrein ist es mir egal! Ich habe die Polizei benachrichtigt, aus Bürgerpflicht. Ich hoffe, sie haben ihn erschossen.« Und er knallte den Hörer auf.
    Danach wanderte Angela eine Stunde erregt durchs Haus. Falls es noch Liebe in ihr gab, so galt sie jetzt Casanova. Sie fühlte sich gebraucht – und hilflos. Tränen flossen ihr über die Wangen. Als sie sich eine Zigarette anzündete, merkte sie, daß ihre Hände zitterten. Schließlich hockte sie, wie üblich, vor ihrem Frisiertisch, und im Spiegel sah sie das Portrait einer reifen Frau, tief und unglücklich verliebt. Sie brauchte nicht lange nachzudenken, denn sie hörte ein leises Kratzen und Winseln an der Haustür. Sie lief hin und öffnete. Da stand Casanova, zitternd und reumütig mit dem Schwanz wedelnd. Sie fiel auf die Knie und umarmte ihn, wie Penelope den Odysseus umarmt haben mochte. Als sie ihre Fassung wiedergefunden hatte, brachte sie ihn ins Badezimmer und frottierte sein nasses Fell mit dem erstbesten Tuch, das ihr in die Hand fiel, zufällig war es Bryans Gesichtshandtuch, mit seinen Initialen in der Ecke. Dann gab sie ihm warme Milch und bettete ihn vor das Gasfeuer des Kamins im Salon. Er revanchierte sich für all diese Fürsorge, indem er ihr mit matter Beharrlichkeit das Gesicht leckte und auf dem Weg vom Bad in den

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