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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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Volksgericht getroffenes Urteil verlas. Er gestattete sich sogar ein unmerkliches Lächeln, und auch ein knappes Kopfnicken. Seine gekräuselten Lippen verrieten sogar auf distanzierte, keinen Widerspruch duldende Art, welch geringe Meinung er über den Volksgerichtshof hegte. Auf jeden Fall schien der Kommandant des Erschießungskommandos für einen Moment verblüfft über soviel Kaltblütigkeit. Er sah den Priester und hörte sein rasches Gemurmel. Es waren so viele heilige Texte, die in so kurzer Zeit durchgehechelt werden mußten. Man band ihn an den Pflock. Das Taschentuch wurde hochgehalten. Seine schwarzen Augen wurden hart. »Nein«, sagte er laut und klar. Vielleicht, wenn man’s recht überlegte, wäre es besser, nichts zu sagen, nur verneinend den Kopf zu schütteln. Der Film seiner Phantasie lief rückwärts. Wieder wurde das Taschentuch hochgehalten. Diesmal schüttelte er den Kopf. Der Kommandant schien Mut zu schöpfen aus solchem Beispiel und starrte ihn einen Augenblick in stiller Bewunderung an. Der Degen fuhr hoch. Nein, nein, er durfte vorher nicht vergessen, dem Priester zu danken. Er dankte dem Priester mit größter Schlichtheit. Der Priester war verwundert über solche Geistesgegenwart, und auch in seinem Glauben bestärkt, da er die Magie seiner Worte wirken sah. Wieder wurde der Degen erhoben. Die vordere Reihe der Soldaten sank auf die Knie. Er blickte über sie hinweg, in den strotzenden Himmel Italiens, und dachte beinah beglückt an seine Ehre. Irgendwo glaubte er einen Ruf zu hören, und dann wurde alles rot hinter seinen Augenlidern, wie es geschieht, wenn man in der Mittagssonne zu schlafen versucht. Erst rot, dann schwarz. Die Soldaten schauten einander an und murmelten: »Das war ein tapferer Mann.« Gerade begann er seinen Tagtraum von neuem, als Arnaldo mit einem Becher Wasser zurückkehrte. »Tut mir leid, daß es so lange dauerte«, sagte er, »aber im Hauptquartier herrscht große Aufregung. Man hat General Zaleschi gefangen und den Bankpräsidenten Mora. Auch Gozzi-Parella, den Herausgeber der Faschistischen Jugendzeitschrift.«
    »Was hat man mit ihnen gemacht?«
    »Ich weiß nicht – noch nichts. Zaleschi und Mora waren als Bauern verkleidet – aber als Männer.«
    Gargaglia zuckte zusammen. Diese Bemerkung war überflüssig. Immerhin, von einem gemeinen Soldaten kann man nicht viel Takt erwarten.
    »Gozzi-Parella spazierte einfach ins Hauptquartier«, fuhr Arnaldo fort, »und sagte, es würde allen Beteiligten viel Mühe ersparen, wenn er sich einfach stellte. Ja, ja, der Bursche hat Schneid, auch wenn er die Jugend verdorben hat.«
    »Ich glaube, man wird die meisten von uns erschießen«, sagte Gargaglia.
    »Kann ich nicht sagen«, erwiderte Arnaldo. »Da müßten Sie jemand mit größeren Vollmachten fragen. Bis gestern haben wir ohne langen Prozeß erschossen, aber heute scheinen sie hinterherzuhinken.«
    »Was passierte mit Colonnello Gasparone?« fragte Gargaglia, obwohl er es sehr gut wußte.
    »Oh, er kam gestern morgen vor das Tribunal – den Volksgerichtshof, oder wie auch immer sie das nennen. Der Prozeß war sehr kurz. Zehn Minuten, nicht mehr. Dann brachten sie ihn hinaus und erschossen ihn.«
    »Wie werden diese kleinen Zeremonien durchgeführt?« Das war’s, was Gargaglia wissen wollte.
    »Oh.« Arnaldo wurde verlegen. »Sind Sie sicher, daß Sie darüber sprechen wollen?«
    »Selbstverständlich«, sagte Gargaglia knapp. Zu diesem Zeitpunkt war es noch leicht, Bravour zu beweisen. Er glaubte, einen Funken Bewunderung in Arnaldos Augen blitzen zu sehen, und es freute ihn.
    »Nun, man bringt das Opfer hinaus, man verbindet ihm die Augen – «
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Dann setzt man es auf einen Stuhl, bindet ihm die Hände hinter den Rücken und erschießt es.«
    »Ein Stuhl? Steht selbstverständlich frontal zum Hinrichtungskommando.«
    »O nein. Die Exekutionen, die ich gesehen habe, da erschießt man die Leute immer von hinten.« Gargaglia wurde blaß. »Das ist abstoßend«, sagte er. »Vielleicht gelingt es Ihnen, dieses in Ihrem Fall zu ändern, falls es soweit kommen sollte. Ich meine, fragen schadet ja nichts; sie können nur nein sagen.«
    »Aber, sagen Sie mir, amtiert da ein Priester?«
    »Nicht im Fall Colonnello Casparones. Es war keine Zeit, einen aufzutreiben. Sie müssen bedenken, wir sind nicht wie eine reguläre Armee organisiert. Wir sind nur Partisanen. Unsere Gerechtigkeit muß sich nach den Umständen richten. Ich glaube,

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