Gottes blutiger Himmel
mich mit seinem algerischen Akzent schüchtern genannt. Ich starrte auf den Bildschirm und betrachtete seine Überreste. Da schien etwas zu schimmern, vielleicht war es sein Goldzahn, der immer sichtbar geworden war, wenn er gelächelt hatte. Sein freundliches Gesicht, sein klarer Blick, seine ungekünstelte Bescheidenheit waren in dieser Szene aus Rauch, Tod und Wahnsinn aufgegangen. So als würde ein trügerischer Glaube zu Blindheit führen, ein falsch verstandenes Martyrium ins Verderben und ein Gottesbetrug zu einem so unbeschreiblichen Maß von Leid.
Ich sah mich um. All der Heldenmut und die Preisungen des Martyriums schienen den Glaubenskämpfern abhandengekommen zu sein. Ich schaute zu Samer, unsere Blicke trafen sich kurz, er fühlte sich ertappt und wandte sein Gesicht ab. Was ihm jetzt wohl durch den Kopf ging, was er jetzt wohl fühlte? Wir hatten dieselbe Szene gesehen, aber dachten wir dasselbe? Was er wirklich fühlte, konnte ich mir nicht vorstellen. Aber hier ging es nicht um mich. Es ging um die Moral der Selbstmordkandidaten, die erschüttert war,und Samer musste wieder die Initiative ergreifen. Seine Stimme drang durch das Schweigen der Runde, sie klang demütig und freudig zugleich: »Wo sind unsere Märtyrer nun?«, fragte er seine Gefährten.
Der Tadel in seiner Frage war unüberhörbar, und sein Blick war missbilligend. Er gab sich selbst die Antwort und sah mich dabei herausfordernd an: »Sie wurden dessen teilhaftig, was sie erstrebt hatten. Der Schöpfer hat ihnen ihr Leben geschenkt, dafür gaben sie ihm ihren Tod. Kann es etwas Edleres und Erhabeneres als einen solchen Tod geben? Einen Tod, der dem Islam und den Muslimen Leben bringt, Gott segne sie und gewähre ihnen Glück! Jeder von ihnen ist nun in einem der vielen Räume des Paradieses.«
Und um sie aus ihrer Verwirrung zu reißen, die die Freiwilligen noch immer beherrschte, rief er eine weitere Frage in den Raum: »Wisst ihr denn, wie das Paradies beschaffen ist?«
Wieder gab er selbst die Antwort: »Sein Boden ist Safran, seine Erde Moschus, seine Wände sind aus Silber- und Goldstücken gebaut. Die darin weilen, bleiben dort auf ewig, unseren Märtyrern wird dort Ehrerbietung zuteil, ihre Gesichter leuchten in höchster Frische, sie erleben weder Geiz noch Demütigung, sie fühlen nicht Furcht noch Trauer, der Tod kann sie nicht ereilen. Sie essen Paradiesesspeisen und trinken von Flüssen aus Milch, Wein und Honig, deren Grund aus Silber ist und deren Kies Korallen sind, sie sitzen auf Kanzeln aus Rubin in Zelten aus kühlen weißen Perlen und liegen auf Polstern, umschwärmt von Knaben, die ihnen Quellwasser aus weißen Kannen anbieten, so rein, dass die Gefäße glänzen.
Unsere Märtyrer erfreuen sich nun ihres Wohlergehens, sie sitzen bei schönsten Paradiesjungfrauen, so fein, als seien sie aus Rubin und Korallen, kein Mensch und kein Geisthaben sie jemals zuvor berührt, kein Alter überkommt sie und kein Elend. Wenn nun einer weiß, dass dies nur ein Teil des Paradieses ist, wird er dann nicht danach streben, es zu erreichen? Bei Gott, selbst wenn es nur körperliche Unversehrtheit und sicheren Schutz vor Unglück, Hunger und Durst böte, so wäre das Paradies doch würdig, dass wir, um seiner teilhaftig zu werden, diesem Diesseits entsagen, welches dem Untergang zustrebt. Umso mehr, als die Bewohner des Paradieses Tag für Tag an der Seite des Allmächtigen weilen, sein gütiges Antlitz schauen und sich an einem Anblick ergötzen, der alle Wohltaten der Gärten Eden übersteigt! Auf immer schwelgen sie in diesen Labsalen, nie mehr werden sie sie entbehren.«
Samer hatte es geschafft. Er hatte seinen Männern wieder den Geist des tapferen Martyriums um des Paradieses willen eingehaucht. Nach einigen Augenblicken des Schweigens brach erneut Begeisterung aus, man jubelte und ließ Gott hochleben, und alle sahen den Opfergeist, den sie im Herzen trugen, aufs Beste in dem Sprechgesang bekundet, den die beiden saudischen Brüder lauthals anstimmten:
»Und legst du meine Hände auch in Ketten, schlägst auf die Brust mir die Geißel und lässt meinen Hals spüren die Klinge …«
Schon stimmten die anderen ein:
»… meinen Geist wirst du doch nicht fesseln, noch wirst du meinen Glauben mir nehmen, denn das Licht brennt in meinem Herzen, und Herz und Hand sind eins bei mir.
Mein Herr, mein Beschützer, mein Retter, mein Glaube an dich soll mich schützen, und lächelnd werde ich sterben, wenn dadurch der Glaube an
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