Gottes blutiger Himmel
eine Handbreit langen Kinnbart und in einem kurzen schariagerechten Gewand fotografiert, wie islamische Fundamentalisten es gerne tragen. Wenn er in den Sommerferien nach Damaskus kam, rasierte er sich wieder und trug Jackett und Jeans. Was von beiden war die Verkleidung? Nun dachten die Geheimdienste, dass sie auf eine fette Beute gestoßen waren. Waren sie aber nicht. Denn zunächst schien Samer nur ein Student zu sein, der den Glauben für sich entdeckt hatte und deshalb in Moscheen betete.
Ende letzten Jahres wurde er dann im Libanon in den Flüchtlingslagern von Schatila, Nahr al-Barid und al-Baddawi gesehen, wo er sich für dschihadistische Ideen interessierte, und er suchte genau da, wo sie am verbreitetsten waren. Verdächtig wurden seine Kontakte, als sie sich auf Extremisten konzentrierten, die für ihre Hetze gegen Ungläubige bekannt waren und die sich, als Flüchtlinge besonderer Art, die Palästinenserlager zur Wirkungsstätte erkoren hatten. Die Lager bargen bekannte islamistischeOrganisationen ebenso wie kleine Gruppen, die sich noch keinen Namen gegeben hatten und denen sich Personen anschlossen, die in ihrer Heimat zur Fahndung ausgeschrieben waren und mit gefälschten Pässen als Touristen in den Libanon kamen, um dort in den Gassen der Flüchtlingslager zu verschwinden. Es war offensichtlich, dass Samer in jener Zeit noch auf der Suche nach etwas war, was für ihn in Frage kam. Er hatte noch keine Entscheidung getroffen.
Die kleinen Gruppierungen begeisterten ihn nicht, und sie stellten im Allgemeinen auch keine Gefahr dar. Sie umfassten jeweils nur einige Dutzend Kämpfer mit zweifelhaftem Ruf; einige von ihnen standen in Kontakt zu libanesischen Politikern oder hatten mit dem syrischen, jordanischen, saudischen oder sonst welchen Geheimdiensten zu tun. Sie pflegten untereinander Feindschaft und führten einen wortreichen Krieg gegeneinander, in dem zuweilen auch Straßensperren errichtet wurden oder geschossen wurde. Jede Gruppe beschuldigte die andere, ihre Religion für Geld aus dubiosen Quellen zu verkaufen. Gleichzeitig beeilte man sich zu versichern, dass man selbst für den eigenen Lebensunterhalt hart arbeite. Man sah die Kämpfer zuweilen in den Gassen des Lagers gekochte Bohnen, Falafel oder Gemüse verkaufen oder als Handwerker, Bauarbeiter, Installateure oder Elektriker ihr Brot verdienen. Das Geld für ihre Waffen, so behaupteten sie, stamme aus der Zakat-Steuer, die die Gläubigen als Almosen abführten. In Wirklichkeit wurden diese Gruppen von zahlreichen arabischen Staaten instrumentalisiert, die nicht mit Spenden geizten und sie ermutigten, Kämpfer in den Irak zu schicken, damit die Amerikaner mit deren Niederschlagung beschäftigt wären und weniger Zeit hätten, ihre Regierungen unter Druck zu setzen. Die libanesischen Sicherheitsdienste wiederum übersahen gerne, dass diese Gruppen junge Männerrekrutierten und tatsächlich Freiwillige in den Irak entsandten, denn so waren sie sie los beziehungsweise bekämpften diese die Schiiten, was den Diensten in Bezug auf das Inland nur recht war, wo man sich erhoffte, dass dies der konfessionellen Balance zugutekäme. Aber Samer suchte etwas Handfesteres, eine Verbindung zu al-Qaida oder Angehörigen der Gruppe um Abu Musab az-Zarqawi.
Wir wissen nicht, ob ein Abgesandter von al-Qaida damit beauftragt war, die Steuerung von Schläferzellen zu übernehmen oder eigene Zellen zu bilden. Tatsächlich tendierten manche fundamentalistischen Gruppen dazu, sich mit al-Qaida zu koordinieren und Bin Laden als ihren Anführer anzuerkennen, denn unter seiner Führung zu handeln kam den Ambitionen junger Kämpfer entgegen und sicherte zudem Unterstützung und Finanzierung. Es gelang Samer, mit einem dieser Männer in Kontakt zu treten, die wie gewöhnlich Vorsichtsmaßnahmen trafen. Sie überwachten und testeten Samer und führten mit ihm mehrfach Diskussionen über die Scharia, während derer er sein Eintreten für den Dschihad unter Beweis stellte und sie im Rekordtempo von der Festigkeit seines Glaubens überzeugen konnte. Alle über ihn gesammelten Informationen stimmten darin überein, dass Samer das Zeug zum religiösen Vorbild hatte. Sehr schnell stand sein Name auf der Liste der Dschihadkämpfer, und er kam in direkten Kontakt mit einem Netzwerk, das ihn heimlich in den Irak bringen würde.
Den Zuträgern des syrischen Geheimdienstes in Beirut entging dies nicht. In den letzten Aufzeichnungen über seine Bewegungen hieß es, dass der
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