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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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im Griff von Banden, die raubten und entführten, während sich die Milizen, bewaffnet mit Hass und dubiosen Beziehungen, gegenseitig bekriegten und das Land im Verein mit Todesschwadronen in eine konfessionelle Kampfzone verwandelten. Sie streiften bei Tag und bei Nacht durch die Straßen, beschossen sich, legten Hinterhalte, feuerten Mörsergranaten und verübten Attentate. Der Staat war gelähmt, die Regierung handlungsunfähig, Sicherheitskräfte unternahmen nichts, die Armee war aufgelöst, Hunderttausende Soldaten, Polizisten und Beamte waren ohne Arbeit. Parteien schossen wie Pilze aus dem Boden, plötzlich gab es einhundertfünfzig davon! Jede wollte eine möglichst große Portion vom Festmahl abhaben, und die verschiedenen Flügel der Regierung tauschten Beschuldigungen aus und verwickelten einander in Intrigen.
    »Aber du wusstest, worauf du dich einlässt. Andererseits hast du deiner Frau die Wahrheit geschickt verheimlicht, damit sie keine zu große Hoffnung schöpft und dann wieder eine Enttäuschung erlebt. Du sagtest ihr, du würdest wieder nach Dubai fliegen, aber nicht lange wegbleiben. Nur deineTochter hast du ins Vertrauen gezogen. Sie wusste, dass du Papiere zur Einreise in den Irak hattest. Du sagtest ihr, du würdest versuchen, Samer zu finden, es dürfe aber niemand davon erfahren. Sie wollte dich davon abhalten, weil sie dich nicht auch noch verlieren wollte. Du versprachst ihr, dich nicht in Gefahr zu bringen. Auch Sana gabst du über den wahren Hintergrund deiner Reise Bescheid.«
    »Denk bitte nicht, dass mir Samer wichtiger ist als du«, hatte ich zu Sana gesagt.
    »Ich habe kein Recht, dir deine väterlichen Gefühle zu verbieten«, antwortete sie.
    Sie würdigte mein Verantwortungsgefühl gegenüber meinem Sohn und versuchte nicht, mich von meiner Entscheidung abzubringen.
    »Hatte sie Angst um mich?«, fragte ich Hassan.
    »In den Irak zu gehen war kein Spaziergang, nicht einmal für eine Armee mit Raketen, Kriegsschiffen und Flugzeugen.«
    Ich hatte noch nicht ganz verstanden, was für eine Beziehung mich mit Sana verband. Beruhte sie auf Liebe oder Berechnung? Ich hatte eine lange Ehe hinter mir, die mir gezeigt hatte, dass Liebe ein trügerisches Gefühl ist, auf das man besser nicht bauen sollte. Wenn unsere Beziehung aber Kalkül gewesen war, dann war es nicht schade um sie, denn heute würden meine Erwägungen gegen sie ausfallen. Waren solche Gedanken eine Art Komplizenschaft mit meinem versiegelten Gedächtnis, oder war ich übervorsichtig und in einem schlechten Sinn abgeklärt? Am liebsten stellte ich mir vor, dass Sana und ich eine ruhige, rationale Beziehung geführt hatten, die darauf beruhte, dass jeder von uns beiden einen Gefährten nötig hatte, der den restlichen Lebensweg mit ihm teilen und ihn möglichst erleichtern würde. Aber was bedeutete mir mein Leben noch? Die mir verbleibenden Jahrewürden nur noch dafür ausreichen, weniger beanspruchende Dinge zu tun und etwas Raum für Ruhe und Nachdenken lassen, was dabei helfen würde, das ein oder andere Beschwernis zu verwinden und sich nicht zu sehr über gewisse schlechte Angewohnheiten aufzuregen, die man nicht mehr ablegen kann.
    Ich war Anfang fünfzig, also in einem Alter, in dem man bereits unvermittelt sterben oder unheilbar erkranken konnte. Ich versuchte mich nur noch auf ein erträgliches Ende vorzubereiten, und wenn noch ein paar Banalitäten einträten, dann wäre es nicht weiter schlimm, und ein paar unumgängliche traurige oder tragische Ereignisse, auch etwas größere, würde ich aufgrund früher erlebten Unglücks ebenfalls verkraften können.
    Oder, und das durfte ich nicht ausschließen, ich hatte mit Sana eine rein sexuelle Beziehung gehabt, die sie, wie Frauen dies häufig tun, für eine emotionale Beziehung gehalten hatte. War dies unser Spiel gewesen, oder hatte ich sie geliebt? Wenn ich nun versuchte, rückgängig zu machen, was ich getan hatte, dann deshalb, weil ich Sana spüren lassen wollte, dass ich ihre Gefühle nicht erwiderte oder zumindest nicht wusste, was ich für sie empfand. Sie war mir fremd, so wie ich ihr fremd geworden war, und es war nicht verwunderlich, dass sie dabei scheitern musste, sich mir anzunähern. Meine Schroffheit und Ignoranz mussten sie schmerzen, es sei denn, sie tröstete sich mit einer bedingungslosen Liebe, die keinen Schmerz kannte. Meine Schweigsamkeit stand wie eine Barriere zwischen uns, und ich steckte sie damit an. Ich spürte nicht einmal Widerwillen

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