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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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neuen Situation. Wir vereinbarten, dass er niemandem mitteilen würde, wo ich war. Sanas Zweifel hingegen wuchsen durch meine vorgezogene Abreise nur noch mehr. Ich versicherte ihr, dass ich von dem früheren Termin selbst überrascht worden sei, dass es aber besser sei, jetzt zu fliegen statt in einer Woche. Um ihre Ängste zu zerstreuen, versprach ich, ihr aus Bagdad regelmäßig zu mailen, damit sie sicher sein könne, dass ich gesund sei. Ich wollte nicht sagen: »… dass ich noch am Leben bin.«
    Am nächsten Morgen um sechs Uhr starteten Miller und ich von Beirut an Bord einer kleinen Transportmaschine. Nach knapp zwei Stunden kreisten wir hoch über dem Flughafen von Bagdad. Aus dem Fenster des Flugzeugs sah ich, wie die Windungen des Tigris die Stadt teilten. Ich zählte drei Rauchsäulen, die von Bränden aufgrund von Raketenbeschuss oder Explosionen herrührten. Das Flugzeug schraubte sich zur Landung hinunter, musste den Anflug aber abbrechen, als der Tower den Piloten informierte, dass der Flughafen Mörserbeschuss von Rebellen ausgesetzt sei. Wir wichen auf den Flughafen von Amman in Jordanien aus und konnten dort erst wieder starten, nachdem die Landebahn in Bagdad ausgebessert worden war. Die Reise hatte somit über acht Stunden gedauert.
    In der Zeit, die ich mit Miller zwischen Damaskus und Beirut verbracht hatte, waren wir einander nicht nähergekommen. Doch die acht Stunden, die wir zusammen im Flugzeugsaßen, brachen das Eis zwischen uns und schafften eine Vertrautheit, die ich nicht erwartet hätte. Der Major war gesprächiger als ich und vertraute mir einige persönliche Dinge an. Ich ließ mich darauf ein, blieb aber zugleich zurückhaltend, doch als der Flug zu Ende war, hatten wir uns angefreundet. Das war auch der Eindruck Millers, dem, wie er sagte, ein Freund gefehlt habe. Das Verhältnis zu seinen Arbeitskollegen, erklärte er, sei rein sachlicher Natur, was mich sehr wunderte. Er äußerte Anerkennung für meinen Mut, in den Irak zu gehen. Er habe mir so viel Entschlossenheit nicht zugetraut. Selbst am Flughafen von Beirut habe er geglaubt, ich würde vor dem Einstieg in die Maschine noch kehrtmachen. Sein Lob war allerdings auch eine Anspielung darauf, dass ich wenig darüber wusste, was im Irak tatsächlich los war. Miller urteilte, die Situation dort sei in Wirklichkeit schlimmer, als sie in den Medien dargestellt werde, ja sogar schlimmer, als man es den Geheimberichten entnehmen könne.
    Ich sagte, ich würde keinen Rückzieher machen, egal wie schlimm die Zustände seien. Er meinte, wir hätten manches gemeinsam, zum Beispiel unsere hohe Wertschätzung für die Familie und unser Bestreben, sie zusammenzuhalten. Er schloss dies daraus, dass ich eine solche Reise unternahm, um meinen Sohn zu suchen. Ich sagte ihm nicht, dass es, um meine Familie zu erhalten, zunächst nötig war, sie auseinanderzureißen.
    Miller hatte Frau und Familie im gemeinsamen Haus in Kalifornien zurückgelassen. Er schrieb ihnen jeden Tag und ließ sie wissen, dass es ihm gutgehe. Natürlich machten sie sich Sorgen um ihn, und so versuchte er, nicht davon zu schreiben, was er tatsächlich in dieser fernen Gegend tat. Es reichte ja, was sie in den Fernsehnachrichten über den Krieg sahen und hörten. Er schrieb ihnen immer nur, dass er dasEssen nicht so gut vertrage und die Hitze ihm zusetze. Mehr durfte er ihnen nicht verraten, und er versicherte ihnen zudem, dass er den größten Teil seiner Arbeit nicht im Irak leiste, sondern in Jordanien und Beirut und dass er zuletzt nach Syrien gereist sei. Er gestand mir, wie sehr er an seinen Kindern hing und welch große Sehnsucht er nach ihnen hatte. Das machte mich etwas ratlos. Wer war ich denn, dass er mir erzählte, wie sehr er seine Familie vermisste? Die Frage stand mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn er sagte: »Alle Väter haben doch ähnliche Sorgen.« Es klang, als wären wir nicht aus zwei ganz verschiedenen Ländern und als wäre er nicht Major einer Besatzungsarmee, die sogar mein Land bedrohte, sondern als seien wir Nachbarn, die in derselben Straße wohnten und dieselben Probleme hatten. Da er sich nicht dafür interessierte, was uns unterschied, fielen auch bald weitere Barrieren zwischen uns. Er überraschte mich damit, dass er mir von Problemen der US-Armee im Irak berichtete, auch wenn es kein wirkliches Geheimnis war, dass die ausländischen Streitkräfte vor Ort erhebliche Schwierigkeiten hatten.
    »Wir kommen überhaupt nicht voran«,

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