Gottes blutiger Himmel
Schussbereich von Schnellfeuerwaffen!« Auf anderen Schildern standen Warnhinweise in Rot.
Wir fügten uns den Anweisungen. Miller schaltete sein Handy ab und nahm den Akku heraus, ich legte meine Papiere vor, wurde mit elektronischen Geräten abgetastet, und ein riesiger Polizeihund beschnüffelte den Koffer, in dem meine Kleider lagen, obwohl unsere gemeinsame Ankunft vorher mit allen möglichen Sicherheitsstellen abgesprochen worden war.
Als wir drin waren, bat Miller den Fahrer, eine kleine Rundfahrt mit uns zu machen. Wir fuhren langsam durch breite Straßen mit geordnetem Verkehr. Er erklärte mir, die Grüne Zone umfasse drei komplette Stadtviertel, dazu die Hängebrücke, die Qadisiya-Schnellstraße und das Al-Rashid-Hotel mit Umgebung. Ebenso gehörten ein großer Teil des Zawra-Parks und ein Freizeitkomplex mit leeren Kinos, Theatern und Ausstellungssälen dazu, die zum Teil von der amerikanischen Militärverwaltung genutzt wurden.»Im Moment ist die Grüne Zone die eigentliche Hauptstadt. Hier treffen sich die Entscheidungsträger der Politik, und sie ist die einzige geschützte Insel in einem Meer von unkontrollierbarem Chaos«, erläuterte Miller. Doch auch all die Sicherheitsvorkehrungen könnten nicht verhindern, dass es bereits zu schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen sei. Autobomben habe es gegeben, und Selbstmordattentate hätten Opfer unter amerikanischen Soldaten und irakischen Politikern gefordert. Vielleicht um mir etwas die Schwermut angesichts dieser hochgesicherten Festung zu nehmen, sagte Miller dann: »Aber es ist auch das Bagdad der Zukunft in Miniaturformat. Hier können Sie sehen, wie die ganze Stadt einmal sein wird.«
Als ich einige Tage später die übrige Stadt gesehen hatte, sagte ich zu ihm: »Richard, das wahre Bagdad liegt außerhalb dieser Stacheldrahtzäune und Betonmauern.«
Das Auto hielt bei einem weißen Wohnwagen, den der Major als Büro benutzte, um in der Nähe seiner Leute zu sein. Sein Adjutant, ein junger Leutnant namens Jonathan Watson, erwartete uns. Er hatte sich gerade drei Flaschen Wasser über Kopf und Brust gekippt und tropfte. Er trocknete sich die Haare mit einem Handtuch ab, zog sich die nasse Jacke aus und hängte sie auf eine Wäscheleine, wo die Sonne sie innerhalb von Minuten trocknen würde.
Miller machte uns miteinander bekannt, Jonathan begrüßte mich sehr herzlich und gab seiner Freude darüber Ausdruck, mich kennenzulernen. Er hatte schon von mir gehört und verstand gleich, warum ich im Irak war. Er bedauerte mich und bot mir seine Hilfe an. Und ohne Umschweife, so als wolle er sich auf eine ganz eigene Art vorstellen, sagte er mir, dass er gegen die US-Invasion im Irak sei, dass er hier eigentlich gar nicht tätig sein wolle und schon mehrfach um seine Rückversetzung in die USA gebeten habe. Sein Gesuchsei zwar nicht abgelehnt worden, aber die Verwaltung halte ihn hin. Miller machte Witze darüber, was er hier für einen aufsässigen Querulanten beherberge, ja einen der schlimmsten Kriegsgegner.
Es stellte sich heraus, dass der magere, immer lächelnde Leutnant eine Art Verwaltungssoldat und kein professioneller Kämpfer war. Er leitete administrativ die Ausbildung einer Gruppe von irakischen Freiwilligen bei der Zivilpolizei, die das Verkehrsnetz in sensiblen Bereichen der Hauptstadt planen sollten. Zudem waren ihm einige ausgewählte humanitäre Aufgaben übertragen worden, die er mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Dem Gespräch zwischen Miller und Jonathan konnte ich entnehmen, dass Jonathan sich nicht in den Autounfall einmischen wollte. Die Sache sei dubios, und der Colonel, den Metracorp als Ansprechpartner genannt hatte, wolle die Sache möglichst schnell vom Tisch haben. Dann schwieg Jonathan plötzlich und wechselte das Thema. Offenbar hatte er sich meiner Anwesenheit erinnert und wollte deshalb nicht weiter darüber sprechen.
Miller hatte bei dem Wohnwagen anhalten lassen, um seinen Assistenten nach einer Angelegenheit zu befragen, mit der dieser betraut worden war, bevor Miller nach Syrien gefahren war. Es ging darum, dass einige Bewohner von Sadr City in Bagdad Schreiben von einer unbekannten islamischen Organisation erhalten hatten, die damit drohte, sie zu töten, wenn sie ihre schwulen Söhne nicht innerhalb weniger Tage an sie auslieferten. Die Drohung war ernst zu nehmen, weil die Clans, denen die jungen Männer angehörten, ihr Blut bereits für antastbar, das hieß, ihre Tötung für zulässig erklärt hatten.
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