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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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damit das Krankenhaus geschützt würde. Man versprach es ihm, tat aber offenbar nichts, denn soeben hatte die Menschenrechtsbeauftragte ihm mitgeteilt, dass selbsternannte Schariawächter die jungen Männer in der Klinik ermordet hätten. »Wir müssen eine Gruppe zusammenstellen, die die anderen jungen Männer sucht und in Sicherheit bringt, bevor sie dasselbe Schicksal erleiden«, bat er Miller.
    Miller konnte es nicht versprechen, da er gerade gegen die Ausbilder ermittelte, er wolle aber mit dem Verbindungsoffizier telefonieren und fragen, ob man es mit dem Schutz der Jungen auch ernst meinte.
    Bevor er seinen Assistenten mit zur Arbeit nahm, versprach mir Miller, mich morgen Abend wieder zu besuchen. Heute oder spätestens morgen würde er seine Aufgabe abschließen, bis dahin müsse er aber unter Hochdruck arbeiten. Mir zuliebe würde er sich beeilen.
    Als die beiden das Hotel verließen, fiel mir der Satz aus Sanas E-Mail wieder ein, den ich vergessen hatte, und ich erschrak. Sie hatte geschrieben: Es ist eine echte Qual, wenn man die Möglichkeit hat, Leben zu schenken, aber die Umständeeinem nur erlauben, Leben zu zerstören. Was konnte sie damit gemeint haben? Ich musste ihr schnell antworten, bevor Fadhil mich abholte.
Die fünfte E-Mail
    Du hast mir Sorgen gemacht. Was verbirgst Du mir? Ich habe nicht verstanden, was Du mir geschrieben hast. Was meinst Du mit der Möglichkeit, Leben zu schenken?
    Bitte keine Andeutungen mehr! Du weißt, dass es keine Geheimnisse zwischen uns gibt.
    Was immer es ist, ich möchte es mit Dir teilen.
    Ich sollte meinen Major erst wiedersehen, nachdem ich eine Tour durch die Hölle des Irak absolviert hatte. Ich fuhr mit Fadhil die Krankenhäuser Bagdads ab, die ich nur anhand der Namen auseinanderhalten konnte. Die Flure, die Ärzte, die Krankenschwestern, die Pfleger, die Verletzten und die Toten sahen überall gleich aus. Und überall waren verängstigte oder wehklagende Angehörige. Aus Sälen drangen Schreie von Männern und Frauen, die dem schnellen Tod durch Bomben oder amerikanische Raketen entkommen waren, deren Wunden bluteten und eiterten und die nun eines langsamen Todes starben. Andere hatten ein Bein oder einen Arm verloren, Kinder hatten Verbrennungen ersten oder zweiten Grades, wieder andere waren bereits tot oder lagen im Sterben.
    Wir liefen zwischen Betten umher, in denen schwerverletzte junge Männer lagen, die eilig versorgt worden waren, ohne Schmerzmittel zu erhalten, Körper und Köpfe in Verband gehüllt, den Arm am Tropf. Manche, die nicht lebensgefährlich verletzt waren oder nur Knochenbrüche hatten,lagen auf dem Boden, weil es nicht genügend Betten gab. Kinder hatten schreckversteinerte Gesichter, alte Frauen stammelten mit vor Trockenheit rissigen Lippen vor sich hin, Greise stöhnten vor Schmerz. Man hatte sie auf einem Markt, in einem Restaurant oder vor einer Rekrutierungsstelle aufgesammelt, manche hatten eine Hochzeit gefeiert, andere waren auf einer Beerdigung gewesen, als ein amerikanischer Angriff oder ein Selbstmordattentat erfolgte oder eine Autobombe hochging.
    Zwischen diesen Menschen ging ich umher, zeigte ihnen ein Foto von Samer und fragte diejenigen, die noch in die Luft starren konnten, ob sie durch das Feuer, den Rauch oder die Asche hindurch vielleicht diesen jungen Mann gesehen hätten. »Stellen Sie ihn sich mit Bart vor«, sagte ich. Hatten sie vielleicht gesehen, wie dieser junge Mann sich das Hemd ausgezogen hatte, ein Sprengstoffgürtel zum Vorschein gekommen war, er auf einen Knopf gedrückt hatte und in Stücke gerissen wurde, während alles um ihn herum in Flammen aufging? Nein, sie konnten sich nur an Kampfflugzeuge erinnern, die sie beschossen hatten, und an Angst, die ihnen den Verstand raubte.
    In Gruppen von drei oder vier Personen standen Familien zusammen, bleich, die Tränen zurückhaltend, murmelten heiser vor sich hin und hofften, einen Vater, eine Mutter, einen Bruder oder ein Kind lebend zu finden oder von ihrem Tod zu erfahren, wenn sie noch nicht ins Leichenhaus gebracht worden waren und sie sie anhand des Gesichts, des Körpers, vielleicht nur anhand eines Auges, eines Schnurrbartes, der Zähne, eines Ohrs, eines Ellenbogens, eines Knies, eines Fingers oder eines Merkmals am Arm, an der Brust oder am Unterleib identifizieren konnten.
    In einem Krankenhaus sprachen wir mit einem Arzt, mit dem Fadhil befreundet war. Er hatte sich soeben von einemElternpaar abgewandt, deren Kinder schwerste Verbrennungen

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