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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fawwaz Hahhad
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dann solle er Missionsschwestern schicken. Häuser zerstöre man im Krieg eben, um dem Feind kein Obdach zu gewähren. »Was gefällt Ihnen denn an diesen Hadschis?«, fragten sie Miller. Hadschis war das Lieblingsschimpfwort der Söldner und der Marines, wenn sie von Irakern redeten. Auf die Gegenfrage, ob sie denn keine Menschen seien, lautete die Antwort: »Die sind anders als wir. Die trauern nicht wie wir, wenn bei denen einer stirbt.«
    Wenn dagegen ein Marines-Soldat im Kampf fiel, dann wurde getrauert, und zwar indem man das Feuer auf Iraker eröffnete, manchmal wurde auch ein ganzes Wohnviertel oder Dorf dafür zerstört.
    Das Schwierigste war für Miller, dass verschiedene Seiten Druck auf ihn ausübten, die Untersuchung irgendwie abzuschließen, bevor die Presse etwas mitbekam. Es reiche ja, wurde ihm nahegelegt, formal die Regeln für Ermittlungen einzuhalten, und ohnehin waren Angestellte privater Sicherheitsfirmen juristisch nicht belangbar, denn ihnen war Immunität zugesichert worden. Heute hatte ihn der Chef des Verbindungsbüros für die Sicherheitskontraktoren in der Grünen Zone vorgeladen und versucht, ihn davon zu überzeugen, dass die Metracorp-Mitarbeiter keine Unschuldigen umbrächten. Ja, es gebe ein paar schlimme Jungs mit übler Vergangenheit unter ihnen, aber sie töteten nicht zum Spaß, und dass mehr als zehn Personen verabredeten, grundlos eine Familie auszulöschen, sei undenkbar.
    Miller unterbreitete dem Colonel seinen Verdacht, dass die Täter bei der betroffenen Familie zum Zeitvertreib Häuserstürmung haben üben wollen und vielleicht auch auf Beute gehofft haben, falls der begleitende Iraker ihnen etwa erzählt haben sollte, der Familienvater sei im Waffenschmuggel oder für den Widerstand tätig. Er frage sich nur, warumsie, wenn sie die Menschen dort umbringen mussten, um zu stehlen, sie dann gefoltert und verstümmelt hatten. Wütend beschied ihm der Colonel daraufhin: »Miller, wenn es sich hier um ein Verbrechen handelt, dann ist es im Irak begangen worden, nicht in den Vereinigten Staaten! Der Irak ist ein Kriegsgebiet, und da kommen Fehler eben mal vor.« Er solle die Ermittlungen sofort einstellen. Miller erbat sich eine Zusatzfrist von drei Tagen, um den Tatort besichtigen zu können, bevor er den Bericht unterzeichnete und die Leichname freigab, die dann am selben Tag nach islamischem Ritus bestattet werden sollten. Danach werde er dem Colonel die Ergebnisse vorlegen und ihm selbst überlassen, was er damit tun wolle.
    Es überraschte mich nicht, dass Miller mir seine Vermutungen mitteilte. Was mich überraschte, war, dass er mir anvertraute: »Aber ich werde mir nichts verbieten lassen. Ich werde bis zum Ende weiterermitteln.« Zwar hatte er mir bereits einen eigentlich geheimen Zwischenbericht gegeben – auch wenn Geheimnisse in Bagdad nie lange geheim blieben und spätestens nach ein paar Tagen in die Presse kamen –, aber dass er auf eigene Faust weiterermitteln wollte, empfand ich als falsch verstandenen Mut. Gab es denn Gerechtigkeit für Iraker? Wollte er mich in seiner angenommenen Rolle als Richter davon überzeugen, dass Gerechtigkeit vor niemandem haltmachte? Die Ausgewogenheit dieser Untersuchung, das war mir klar, würde sehr enge Grenzen haben. Deshalb fragte ich: »Richard, was willst du mir beweisen?«
    Er blickte mich missbilligend an und erwiderte nichts. Er wollte mir gar nichts beweisen, auch wenn es mir schwerfiel zu glauben, dass ein Offizier der amerikanischen Armee Gerechtigkeit um der Gerechtigkeit willen anstrebte. Ich führte seinen momentanen Eifer darauf zurück, dass ihn die Vertragssoldatenanwiderten. Seiner Auffassung nach kämpfte er für Prinzipien, die anderen nur für Geld. Deshalb stieß ihm meine Frage so bitter auf, und er sagte: »Welche Bedeutung sollte Demokratie noch haben, wenn eine ganze Familie straflos getötet wird, und sei es auch aus Versehen?«
    Ich sah in Miller nicht mehr als einen Soldaten, der, Idealbegriffen von Vaterland, Ehre und Pflicht folgend, seine Aufgaben gewissenhaft und gelegentlich übertrieben sorgfältig erfüllte. Er war offenbar Äußerungen des amerikanischen Präsidenten über die nötige Verbreitung von Freiheit und Demokratie aufgesessen, ohne zu bemerken, dass, was immer man als Rechtfertigung für einen solchen Feldzug anführte, dieser unvereinbar mit dem Mord an Tausenden von Menschen war. Seine Kampfmission erschien ihm in höchstem Maße human, und er glaubte aufrichtig, dass wir Araber

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