Gottes blutiger Himmel
nicht, was noch passieren wird. Aber ich bleibe optimistisch.
Nein, ich war überhaupt nicht optimistisch. Im Irak konnte man sich angesichts der Albträume, mit denen man konfrontiert war, keinerlei Optimismus leisten.
Nachdem ich zwei Tage lang nichts von Fadhil gehört hatte, rief er mich an und stammelte zunächst nur heisere Entschuldigungen. Ich nahm an, dass er anrief, damit ich nicht dächte, er wolle sich mir entziehen. Das hatte ich aberohnehin nicht angenommen. Er hatte die Angelegenheit, wegen der er weggeblieben war, gestern erledigt. Rabias Vater hatte seinen Sohn abgeholt und wieder ins Dorf mitgenommen, nachdem die Zahlung eines Blutgeldes für die geschädigte Familie ausgehandelt worden war. Er, Fadhil, habe mir aber noch etwas Besonderes mitzuteilen, was er nicht am Telefon sagen könne. Er wolle mich mit jemandem bekannt machen, der mir vielleicht helfen könne. Ich hoffte, dies würde die Lösung sein, durch die ich nicht mehr auf den ewig in seinen Ermittlungen steckenden Miller angewiesen wäre.
Fadhil kam. Es stellte sich heraus, dass er sich schon seit einigen Tagen bemüht hatte, etwas für mich zu tun. So war ihm gelungen, über alte Freunde Kontakt zu einer Widerstandsgruppe der verbotenen Baath-Partei aufzunehmen. Er hatte ihnen erklärt, warum ich im Irak war. Gestern hatte er die Nachricht erhalten, dass die geheime Parteiführung in Bagdad die Sache an einen Parteifunktionär übergeben habe, der sich meines Anliegens annehmen solle. Dieser hatte Fadhil kurz darauf tatsächlich angerufen und ihm Zeit und Ort eines Treffens genannt. Am Mittag des nächsten Tages war mein Termin mit dem genannten Baath-Funktionär. Der Treffpunkt war das Sadeer-Hotel am Andalus-Platz.
Ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken, mich gerade dort mit ihm zu treffen, nachdem ich von Fadhil, der mich hinfuhr, erfahren hatte, dass der Andalus-Platz schon mehrfach Ziel von Anschlägen gewesen war. Der Sitz der Kommunistischen Partei und das Ministerium für Bewässerung lagen direkt am Platz, und erst vor wenigen Tagen waren in der Nähe Bewaffnete in Pick-ups, die bemalt waren wie Fahrzeuge des Innenministeriums, vorgefahren und hatten hundertfünfunddreißig Personen verschleppt, diesich gerade im Ministerium für Hochschulbildung befunden hatten. Viele von ihnen wurden wieder freigelassen, aber die Universitätsprofessoren und Gebildeten unter ihnen hatten sie behalten. Vermutlich waren sie mittlerweile liquidiert worden. Trotzdem meinte Fadhil, dass dieses Hotel sicherer als jeder andere Ort in Bagdad sei, denn da eine Sicherheitsfirma, die für die Amerikaner arbeitete, ein ganzes Stockwerk für sich reserviert habe und von dort aus operiere, sei es entsprechend geschützt. Betonbarrieren befanden sich vor allen Zufahrten und Eingängen des Hotels, und Wachen mit Stahlhelmen, schusssicheren Westen und Maschinengewehren sicherten das Gebäude. Sogar Fadhil war diesmal bewaffnet. Als er seine Sommerweste etwas öffnete, sah ich, dass er einen Revolver an der Hüfte trug. Ich wusste nicht, ob er mich beruhigen oder Spaß mit mir treiben wollte, als er sagte, falls das Hotel angegriffen würde, könnte ich flüchten, während er sich mit den Angreifern einen Schusswechsel liefern würde.
Mich befiel Sorge. Nicht nur drohte von außerhalb des Hotels eine unbestimmte Gefahr, ich war außerdem im Begriff, mich hier mit einem Mann zu treffen, der für eine Partei tätig war, welche ausgelöscht werden sollte, und der von mehreren Gruppen gejagt wurde, die nur darauf warteten, Rache an ihm zu nehmen. Es war ein Fehler gewesen herzukommen. Ich gestand Fadhil meine Ängste und sagte, dass es mich in Schwierigkeiten bringen und mich verdächtig machen könnte, wenn ich mich mit Vertretern des alten Regimes abgab. Eigentlich, sagte ich, benötigten diese Leute doch viel mehr Hilfe als ich. Fadhil suchte meine Bedenken zu zerstreuen: Seines Wissens gehörten die übriggebliebenen Baath-Funktionäre den größten Widerstandsgruppen im Irak an und kooperierten zum Teil mit Islamisten in Verbänden, die sich Geheime Islamische Armee, IslamischeArmee des Irak oder die Armee Mohammeds nannten. Angeblich verübten sie keine Terroranschläge, sondern nur militärische Angriffe gegen US-Streitkräfte. Sie umfassten Kommandeure, Offiziere und Rüstungsspezialisten der aufgelösten irakischen Armee und seien entsprechend schlagkräftig, gut ausgebildet und technisch versiert. Selbst ihr Nachrichtendienst sei den
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