Gottes erste Diener
»unfehlbaren«
Vorgänger, denn das hätte das Papsttum selbst zu Fall gebracht.
Katholische Historiker weisen
darauf hin, daß Europa zu jener Zeit ein Christentum war, eine Einheit von
Kirche und Staat. Häresie war ebenso sehr ein ziviles Verbrechen wie eine
Sünde. Tatsächlich betrachteten alle Fürsten sie als Majestätsbeleidigung; ein
Ketzer gefährdete die Einheit des Königreichs und war daher ein Verräter.
Dies beweist nur, daß die
Allianz von Kirche und Staat, an der die Päpste so hingen, katastrophale
Nebeneffekte hatte. Aus dieser Allianz sind die Grausamkeiten der Inquisition
hervorgegangen. Selbst dies erklärt jene besonderen Übel nicht völlig, die aus
dem Tribunal ein Vorbild der Ungerechtigkeit gemacht haben: die Annahme, der
Beklagte sei schuldig, die Folter von Beklagten und Zeugen und so fort.
Einige Historiker haben
versucht, die Päpste von den Verbrechen der Inquisition reinzuwaschen. Das hält
schwer, denn die Wurzel der Macht der Inquisitoren war das Wissen, daß sie
päpstliche Beauftragte waren und völlig auf päpstlichen Befehl handelten. Zudem
kam die Ausweitung des Begriffes »Häresie« auf jede Abweichung vom
Gemeinschaftsleben nur von den Päpsten. Wie Döllinger bemerkt: »Sowohl die
Einführung als auch die Durchführung dieses neuen Prinzips ist den Päpsten
allein zuzuschreiben. Es gab nichts in der zeitgenössischen Literatur, das ihm
den Weg bereitet hätte.«
Ebenfalls den Päpsten allein
ist die Wiedereinführung der Folter bei Gericht zuzuschreiben. Es war
päpstliches Prestige nötig, um eine lange, zivilisierte Tradition zu kippen,
nach der Folter ein großes Unrecht war. Lea schreibt in The Inquisition in
the Middle Ages:
Sie
(die Inquisition) führte ein System der Jurisprudenz ein, das das Straf recht
aller Länder unter ihrem Einfluß infizierte und die päpstliche Rechtspflege für
Jahrhunderte zu einem grausamen Hohn machte. Sie gab dem Heiligen Stuhl eine
hoch wirksame Waffe zum politischen Machtzuwachs in die Hand, sie verführte weltliche
Landesherren, das Beispiel nachzuahmen, und sie prostituierte den Namen der
Religion für die niedrigsten weltlichen Zwecke.... Das Urteil der
unparteiischen Geschichte muß sein, daß die Inquisition die monströse Ausgeburt
irregeleiteten Eifers war, benutzt von der selbstsüchtigen Habgier und
Machtlüsternheit, um das Streben der Menschheit nach Höherem zu unterdrücken
und die niederen Gelüste anzuregen.
Katholische Apologeten wie de
Maistre haben eingewandt, die Kirche habe niemanden getötet. Die Inquisitoren
überantworteten die Schuldigen dem weltlichen Arm mit der Bitte um Erbarmen.
Dies trifft zu, doch es fügt
der Bosheit nur Heuchelei hinzu. Es ist auch eine Ironie, denn die Juden wurden
zwar durch die Jahrhunderte beschuldigt, Jesus getötet zu haben, doch kein
Theologe hat je vorgebracht, die Juden hätten Jesus nicht getötet, sondern nur
dem weltlichen Arm überantwortet.
Es gibt keinen bekannten Fall,
in dem ein weltlicher Fürst oder Magistrat sich geweigert hätte, jemanden zu
bestrafen, den die Mönche der Inquisition der Häresie überführt hatten. Die
Päpste redeten nicht lange herum: Jeder Fürst, der die Häretiker nicht
verbrannte, wie von der Inquisition geheißen, würde selbst exkommuniziert und
vor dasselbe Gericht gestellt weiden. Die Inquisitoren waren nicht etwa
schuldlos, sondern um so schuldiger, weil sie die weltliche Macht in ihre
Verbrechen hineinzogen. Das Leiden der Katholiken durch die Inquisition wurde
dadurch so schrecklich, daß sie nicht von den Feinden der Kirche gefoltert und verbrannt
wurden, sondern von ihren heiligsten Verteidigern, die auf Befehl des
Stellvertreters Christi handelten.
Die Apologeten stehen scheinbar
auf sichererem Boden, wenn sie einwenden, die Inquisition müsse an den
Maßstäben ihrer Zeit gemessen werden, nicht an denen des zwanzigsten
Jahrhunderts.
Doch die Inquisition war nicht
nur böse im Vergleich mit dem zwanzigsten Jahrhundert, sie war böse im
Vergleich mit dem zehnten und elften, als Folter verboten war und Männern und
Frauen ein fairer Prozeß garantiert wurde. Sie war böse im Vergleich mit dem
Zeitalter Diokletians, denn damals wurde niemand im Namen Jesu, des
Gekreuzigten, gefoltert und getötet.
Es lohnt sich auch, Länder, die
die Inquisition mitmachten, mit anderen, etwa England, zu vergleichen, die nicht
mitmachten. Seit Wilhelm dem Eroberer hatte sich das bürgerliche Recht in
England immer eine gesunde
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