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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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eingenommene
Haltung mit Anstand wieder aufgeben kann. Da sie die falschen Dekrete als echt
angenommen und auf ihnen ihre Ansprüche auf weltweite zeitliche Oberhoheit
aufgebaut hatte, geriet sie in eine schockierend falsche Position, als sie die
Verteidigung der Fälschungen aufgeben mußte. Vom neunten bis zum achtzehnten
Jahrhundert eine Lüge vertreten zu haben, war schlimm genug, aber die Früchte
jener Lüge aufzugeben, die mit soviel Fleiß profitabel gemacht worden war,
überstieg das Maß dessen, was vernünftigerweise von der Natur des Menschen zu erwarten ist.
     
    J. H. Ignaz von Döllinger war
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Professor für Kirchengeschichte in München.
Direkt vor dem Vatikanischen Konzil veröffentlichte er Der Papst und das
Konzil ; er versuchte darin zu zeigen, wie falsch und übertrieben die
päpstlichen Unfehlbarkeitsansprüche waren. Er wurde weniger als zwei Wochen vor
der ersten Sitzung des Konzils auf den Index gesetzt. Rom hatte es immer
leichter gefunden, Argumente zu ersticken, als sie zu beantworten.
    Der Index wurde endlich, nach
mehr als vier Jahrhunderten, von Paul VI. ausgesetzt. Man schrieb das Jahr
1966.
     
    Die römische Inquisition setzte
ihre offen barbarischen Aktivitäten bis weit ins neunzehnte Jahrhundert fort.
Im Jahr 1814 führte Pius VII. nach seiner Befreiung aus französischer
Gefangenschaft die Heilige Inquisition wieder ein — für »Gotteslästerung,
Unmoral, respektlose Haltung gegen die Kirche, Nichtteilnahme an ihren Festen,
Nichteinhaltung ihrer Fastenzeiten und besonders Abweichung vom wahren
Glauben«. 1829 sollte jeder im Kirchenstaat, der ein von einem Häretiker
geschriebenes Buch hatte, als Häretiker behandelt werden. Das befahl Pius
VIII., der anordnete, wer ein Wort der Kritik gegen das Heilige Offizium hörte
und es nicht denunzierte, sei so schuldig wie der Kritiker und dementsprechend
zu behandeln.
    Immerhin wurden die Dinge zu
dieser Zeit leichter. Die Inquisition wurde in Spanien 1813 abgeschafft. Drei
Jahre später verbot Pius VII. den Einsatz von Folter in den Gerichten der
Inquisition—sie ging aber noch zwanzig Jahre weiter. Fast sechs Jahrhunderte
verspätet war Seine Heiligkeit, »Lehrer absoluter moralischer Werte«,
erleuchtet worden.
    Obwohl das Verbrennen nun
ungesetzlich war, erlaubte Pius IX. in einem Edikt von 1856 noch immer
»Exkommunizierung, Konfiszierung, Verbannung, lebenslängliche Haft sowie
heimliche Hinrichtung in schlimmen Fällen«. Auch hörte die Inquisition nicht
auf, Jungen und Mädchen zu exkommunizieren, die ihre Eltern nicht verrieten, wenn
sie an Fastentagen Milch oder Fleisch zu sich nahmen oder ein indiziertes Buch
lasen. Im Kirchenstaat waren dies Verbrechen, auf die Gefängnis stand.
    Bis 1870 kamen politische
Verbrecher vor ein Spezialgericht, die Santa Consulta. Nur Priester waren die
Richter, und ihre Macht war absolut. In bester Inquisitionstradition wurden den
Beklagten nie Zeugen gegenübergestellt, auch bekamen sie keinen Verteidiger.
Jedesmal, wenn ein Teil des Kirchenstaates an die Armeen des neuen Italien fiel
und die Gefängnisse geöffnet wurden, hieß es, die Bedingungen in den
Gefängnissen seien unbeschreiblich. Die schlechten Angewohnheiten der
Inquisition waren kaum totzukriegen.
     
     
    Das Urteil über die Päpste
     
    Das Sündenregister der
Inquisition wäre beschämend für jedeOrganisation; für
die katholische Kirche ist es vernichtend. Heute ist sie, weitgehend zu Recht,
stolz darauf, Vorkämpferin für Naturrecht und Menschenrechte zu sein. Besonders
das Papsttum sieht sich gern als Verteidiger der Moral. Was die Geschichte zeigt,
ist, daß das Papsttum über sechs Jahrhunderte lang ohne Unterbrechung der
geschworene Feind der einfachsten Gerechtigkeit gewesen ist. Von achtzig
Päpsten in einer Reihe vom dreizehnten Jahrhundert an hat nicht einer die
Theologie und den Apparat der Inquisition mißbilligt. Im Gegenteil, einer nach
dem anderen setzte dieser tödlichen Maschinerie noch seine eigenen
Grausamkeiten hinzu.
    Das Mysteriöse ist: Wie konnten
die Päpste Generation auf Generation diese praktische Häresie weiterführen? Wie
konnten sie an jedem Punkt das Evangelium Jesu leugnen, der selbst ein
ungerechtes Gerichtsverfahren bekam und trotz seiner Unschuld als Ketzer
gekreuzigt wurde?
    Die Antwort scheint zu lauten:
Sobald ein Papst wie Gregor IX. die Inquisition einmal in Gang gebracht hatte,
widersprachen die Oberhirten lieber dem Evangelium als einem

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