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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Munde: Dies ist
keine offene Frage. Die Meinung der Kirche hätte nicht einheitlicher sein
können.
    An diesem Punkt wird die
Geschichte unklar. Einige sagten, er habe seine Meinung geändert, kurz bevor er
mit neunzig Jahren starb. Andere sagen, er habe seine Meinung nie geändert und
sei gestorben, wie er gelebt habe — als Ketzer. Sicher aber ist folgendes:
    Am 3. Dezember 1334 spürte er,
daß seine Ideen bald in der Praxis geprüft werden würden, und beorderte seine
Kardinäle zu sich ans Bett. Er drängte sie, wenn er nicht mehr lebe, »einen
würdigen Nachfolger für den Stuhl Petri« zu wählen. Sie wiederum drängten ihn,
seine Seele und die Ehre der Kirche zu retten, indem er seine ketzerischen
Ansichten über die Gottesschau zurückzog. Er starb am nächsten Tag. Danach
wurde in seinem Namen eine Bulle veröffentlicht, die alles widerrief, was er im
Widerspruch zur Kirche gesagt und getan hatte, und in der er sich ganz ihrem
Urteil unterwarf.
    Drückte die Bulle wirklich
Johannes’ letzte Meinung aus? Selbst dort behauptet er, die vom Körper
getrennten Seelen »sehen Gott und das göttliche Wesen deutlich von Angesicht zu
Angesicht, soweit Stand und Bedingung einer getrennten Seele dies erlauben«.
Solche Subtilitäten scheinen außerhalb der Reichweite eines Neunzigjährigen am
Rand des Grabes. Zudem waren sie sinnlos, weil immer noch nicht akzeptabel für
die Theologen.
    Wenn man diesen Papst nach der
Lehre der Kirche beurteilt, war er ein Ketzer, wie Hadrian VI. zugab. Er
leugnete hartnäckig über längere Zeit einen wichtigen Glaubensartikel. Als er
herausgefordert wurde, änderte er öffentlich seinen Standpunkt, nur um eine
Lehre offenzulassen, die offiziell abgeschlossen war. Er zweifelte noch immer,
deshalb war er noch immer ein Ketzer. Was sein endgültiger Standpunkt war, ist
nicht klar; selbst wenn er für die letzte Bulle verantwortlich war, so war sie
immer noch heterodox.
    Sein Nachfolger, Benedikt XII.,
ließ keinen Zweifel an der Sache. Am 29. Januar 1336 sagte er in einem
öffentlichen Konsistorium, nach dem Tod genössen die Heiligen ohne Verzögerung
die Gottesschau. Jeder, der eine dem widersprechende Meinung vertrete, sei als
Ketzer zu bestrafen.
     
    Selbst nach seinem Abgang blieb
Johannes XXII. eine kontroverse Figur. Er, die Geißel der Ketzer, war selbst
zum Ketzer erklärt worden. Er hatte eine große Zahl heiligmäßiger Franziskaner
der Inquisition zum Verbrennen ausgeliefert — am Ende waren es 114—, deren
einziges Verbrechen darin bestand zu sagen, Jesus und seine Apostel hätten ein
Leben äußerster Armut geführt.
    Denn die letzte Ironie ist
diese: Als er starb, war die Kasse, die er leer vorgefunden hatte, voll zum
Überfließen. Die florentinischen Bankiers, die hinzugezogen wurden, um sich um
den Schatz zu kümmern, waren verblüfft. Noch nie hatten sie etwas auch nur
entfernt Vergleichbares gesehen. Sie zählten 25 Millionen Goldflorin und noch
einmal den gleichen Wert in Edelsteinen und Wertgegenständen.
    Die wahre Häresie Johannes’
XXII., des Stellvertreters Christi und Nachfolgers Petri, war, daß er die
Ärmsten der Armen Christi verbrannte und als reichster Mann der Welt starb.
     
     
    Der Papst, der die Bibel
umschrieb
     
    Als Gregor XIII. 1572 Papst
wurde, zog sich der Franziskanerkardinal Montalto aus
dem öffentlichen Leben zurück. Seine Gefolgsleute streuten das Gerücht aus,
Seine Eminenz stehe mit einem Fuß schon im Grab und wünsche vom Leben nichts
mehr, als sich auf den Tod vorzubereiten. Bei den seltenen Treffen des Heiligen
Kollegiums, denen er beiwohnen mußte, hustete er ständig, als sei er im
Endstadium der Schwindsucht. Zu jedem Vorschlag beugte er sanftmütig seinen
großen, tonsurierten Kopf als Zeichen der Zustimmung. Er war zu schwach zum
Streiten. Als seine Kollegen beteuerten, er sei viel zu jung zum Sterben,
zuckte Felice Peretti da Montalto traurig mit den Schultern und machte sich
acht Jahre älter, um sie von seinem nahen Ende zu überzeugen. Ein englischer
Besucher in Rom konnte zufällig einen seltenen Blick auf Seine Eminenz
erhaschen, über sein Feuer gebeugt, und schrieb nach Hause über diesen
»gebücktesten, demütigsten Kardinal, der je an einem Ofen hockte«.
    Papst Gregor starb 1585.
Montalto erschien hohlwangig, trübäugig und mit sorgsam angebrachten Falten zum
Konklave. Sein Gang war schneckenähnlich, seine Stimme kaum hörbar. Er ging auf
Krücken und so krumm, daß sein Kopf fast den Boden berührte. Bei

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