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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Ehre eines Mannes, der seine eigene mißachtet hatte. Vielleicht wollte er
Sixtus auch in den vagen Hinweis auf die Schuld von Druckern »und anderen«
einschließen. Aber ob irgendein Leser hätte erraten können, daß der Papst einer
von den »anderen« war? Zudem waren die einzig entstellenden Fehler vom Papst,
nicht von den Druckern.
    Doch der Betrug hörte dort
nicht auf.
    Eine gründliche Überarbeitung
von Sixtus’ Bibel hätte Jahre gedauert. Jahre, die sie nicht hatten. Eine
kleine Gruppe Gelehrter, unter ihnen Bellarmine, ging in einem Landhaus auf
einem Hügel der Sabinerberge, achtzehn Meilen vor Rom, an die Arbeit. Sie
leisteten Beachtliches. Mitte Juni 1591 schlossen sie ihre Revision ab. Das
Problem war nun, wie sie der Welt vorgelegt werden sollte. Als der neue
Oberhirte Bellarmine fragte, entwickelte dieser den Vertuschungsplan.
    Die neue Fassung sollte sofort
gedruckt werden. Sixtus’ Version mußte unvermeidlich Ketzern in die Hände
fallen. Sie würden auf die Änderungen, Auslassungen, Fehlübersetzungen
hinweisen und sagen: »Schaut, Päpste scheuen sich nicht, Bibeltexte zu
verderben, um ihre eigenen Ziele zu fördern.« Der neue Text sollte ein Vorwort
bekommen, in dem stand, Sixtus habe eine nach seinen Befehlen überarbeitete
Bibel veröffentlicht, doch als er sie prüfte, habe er entdeckt, daß sich viele
Fehler aufgrund allzugroßer Eile eingeschlichen hatten. Sixtus habe deshalb
beschlossen, die Arbeit müsse noch einmal neu getan werden. Nach seinem Tod
seien seine Nachfolger begierig, seine Wünsche auszuführen. Daher die neue
Ausgabe. Dies war von der Wahrheit weit entfernt. Die einzigen wirklich
störenden Fehler waren die, die Sixtus nicht gesehen hatte: seine eigenen. Er
hatte nie die geringste Absicht, seine eigene Arbeit zu revidieren, nur die der
Drucker. Die Entscheidung, sie zu überarbeiten und neu herauszugeben, wurde
nach seinem Tod getroffen.
    Bellarmine dachte vor allem an
eines: Man darf nie sehen, daß Päpste die feierlichen Dekrete ihrer Vorgänger
verdammen. Das würde ein schlechtes Licht auf die päpstliche Autorität selbst
werfen. Andererseits gebührte auch der Bibel Respekt; sie war unfehlbar wie das
Papsttum. Aus der Notwendigkeit, das Unvereinbare zu vereinen, entstand die
Vertuschung. Bellarmine schlug vor, die neue Fassung sollte nicht die einzig
zugelassene sein. Sie war in Eile entstanden und enthielt zweifellos Fehler,
die die Zeit offenbaren würde. Außerdem, fügte er hinzu, »obwohl der Papst uns
unseren Auftrag erteilt hat, konnte er uns nicht die Hilfe des Heiligen Geistes
geben, die sein alleiniges Privileg ist«. Bellarmines Denken hatte, trotz aller
Größe und Subtilität, etwas beinah Kindliches, wenn es um das Papsttum ging. Er
machte sich nicht die Mühe zu erklären, was mit der Hilfe des Heiligen Geistes
war, als Papst Sixtus die Vulgata bearbeitete.
    Ende 1592 war die Bibel bereit
zur Veröffentlichung, und Clemens VIII. war einverstanden, sie nur unter
Sixtus’ Namen erscheinen zu lassen. In The Church and the Papacy (1944)
schreibt Jalland ironisch: Diese Angelegenheit
     
    dient
zur Beschaffung einzigartiger dokumentarischer Belege für die Möglichkeit, daß
selbst der römische Stuhl seine Ansicht ändern kann. Diese Tatsache wurde
freilich in der Zwischenzeit verschleiert, denn als die neue Ausgabe 1592
erschien, wurde sie der Welt ein wenig unredlich als die »Sixtinische« Bibel
vorgestellt. Zwar wurde der Name Clemens später eingefügt; doch das konnte kaum
eine seltsame Heldentat literarischer Unehrlichkeit wiedergutmachen oder die
Wahrheit verbergen, daß der römische Stuhl in seiner Nachgiebigkeit gegen
Klagen des Volkes so weit gegangen war, eine seiner früheren Entscheidungen als
reversibel zu behandeln.
     
    Nach den Lügen blieb ein
Problem: wie man die Exemplare der echten Sixtusbibel zurückbekam. Bellarmine
riet dem Papst, sie zurückzukaufen, ohne Ansehen des Preises, der
wahrscheinlich hoch sein würde. Sie waren nicht nur prachtvoll ausgestattet,
sondern jeder Schwachkopf konnte ihren Sammlerwert sehen.
    Die Inquisition in Venedig und
der Jesuitengeneral erhielten Anweisungen, Druckerwerkstätten und Privathäuser
zu durchsuchen, besonders in Deutschland, um die Ehre des Papsttums zu retten.
Die Suche hatte possenhafte Züge. Zu einer Zeit, als Protestanten kostenlose
Bibeln verteilten, versuchte die katholische Kirche verzweifelt, Bibeln
zurückzukaufen. Wie viele Exemplare wiedergefunden wurden, ist nicht

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