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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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der Wahl war
es für alle zweiundvierzig stimmberechtigten Kardinäle klar, daß Montalto für
das Papsttum geschaffen sei. Sie bemerkten ihren Irrtum sofort. Sobald Montalto
die Wahl gewonnen hatte, streckte er sich, wie sein Biograph Leti schreibt,
warf seine Krücken fort und schrie: »Jetzt bin ich Caesar«, bevor er mit
Donnerstimme das TeDeum intonierte.
    In fünf Jahren leistete Sixtus
V. die Arbeit von fünfzig Jahren. Er ließ Gruppen von Männern Tag und Nacht
arbeiten, um dem Petersdom die Kuppel aufzusetzen. Er ließ den Obelisk
Zentimeter für Zentimeter durch Hunderte von Arbeitern und Maultieren auf seine
heutige Stelle mitten auf dem Petersplatz versetzen. Er baute die Bibliothek
des Vatikan. Er baute ein Aquädukt über Täler und Hügel, um über zwanzig Meilen
Wasser nach Rom zu leiten. Sein Spitzname war wohlverdient: »der geweihte
Wirbelwind«.
    Mit seiner titanischen Energie
ging ein heftiger, lärmender Egoismus einher. Er beanspruchte weltliche
Rechtshoheit über alle Könige und Fürsten. Als der Jesuit Robert Bellarmine,
der unbeirrteste Verteidiger des Papsttums seit Thomas von Aquin, in seinem
Buch der Streitfragen nahelegte, der Papst habe nur indirekte
Rechtshoheit über weltliche Herrscher, beschloß Sixtus, ihm heimzuleuchten. Er
konnte, sagte er, aus jedem Grund und wann immer es ihm beliebte,
einschließlich Kaisern jeden ernennen oder absetzen. Auch der Theologe Vittorio
mißfiel ihm, weil er zu schreiben wagte, es sei richtig, ungerechten Befehlen
eines Papstes nicht zu gehorchen. Ja, er, Sixtus, der Oberhirte, würde die
Bücher dieser beiden Abtrünnigen bannen.
    Die Kardinäle der
Index-Kongregation waren zu verängstigt, um Seiner Heiligkeit mitzuteilen, daß
diese hervorragenden Autoren ihre Ansichten auf die Werke zahlloser Heiliger
und Gelehrter gegründet hatten. Graf Olivares, der spanische Gesandte in Rom,
schrieb seinem Herrn Philipp II., daß die Kardinäle stillschwiegen, »aus Angst,
daß Sixtus sie sein heftiges Temperament spüren läßt und vielleicht die
Heiligen selbst auf den Index setzt«.
    Sixtus war besonders ungnädig
mit Bellarmine. Der Jesuit hatte tapfer für die Werkausgabe des hl. Ambrosius
mit ihm zusammengearbeitet. Es kann nicht leicht gewesen sein. An jedem Punkt
hatte Sixtus sich über sein Urteil hinweggesetzt. Danach befahl der Papst,
seine Fassung sei nun der Standardtext. Sie war und ist die unzuverlässigste,
die es gibt. Ebenso rücksichtslos verfuhr er mit der Bibel. Die Ergebnisse
waren katastrophal.
     
    Die lateinische
Bibelübersetzung, die Vulgata, war im vierten Jahrhundert vom hl. Hieronymus
angefertigt worden. Im Mittelalter war sie eine Institution geworden.
Inzwischen hatten sich viele falsche Lesarten eingeschlichen, weil die Kopisten
schläfrig gewesen waren. Mit der Erfindung der Buchdruckerei vermehrten sich
die Ausgaben und auch die Fehler. Bei der Reformation hatten die Protestanten
ihre eigenen Bibelübersetzungen; die Katholiken mußten unbedingt einen
verläßlichen Text der Vulgata für alle Streitfragen haben.
    Das Konzil von Trient hatte
1546 die Vulgata als die echte Bibelfassung der Kirche bezeichnet. Sie allein
sollte bei Lesungen, Diskussionen und Predigten verwendet werden. »Echt«
bedeutet, die Katholiken können sicher sein, daß sie frei von Irrtümern in
Lehre und Moral ist und im wesentlichen die Originale getreu wiedergibt. Als
die Konzilsväter von Trient eine neue Ausgabe der Vulgata in Auftrag gaben,
hatten sie keine Vorstellung vom Umfang der Aufgabe. Elf Päpste lebten und
starben, und nichts geschah. Bis zu Sixtus V.
    Drei Jahre nach Beginn seines
Pontifikats, Ende 1588, legten ihm die Gelehrten, die er mit der Herausgabe der
Vulgata beauftragt hatte, ihre endgültige Fassung vor. Für den Geschmack des
Papstes steckte zuviel Gelehrsamkeit darin, und sie hatten zu viele Varianten
aufgenommen. Er schrie, der Vorsitzende der Kommission, Kardinal Carafa, solle
sein Zimmer verlassen, er könne es allein weit besser machen. Diesen verblüffenden
Anspruch gedachte er nun zu belegen. In einer Bulle erklärte er mit einem Satz
von 300 Wörtern, er, der Papst, sei die einzig geeignete Person, um die Frage
einer echten Bibel für die Kirche zu entscheiden. Stunde um Stunde mühte er
sich ab, und Nacht um Nacht, denn er schlief nachts nicht. Er hatte nur einen
hauptamtlichen Sekretär, den er fast ins Grab brachte. In der Hauptsache hielt
sich Sixtus an den Text von Louvain, der ihm vertraut war. Er war

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