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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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gewesen und hatte
Kinder, als er ohne die Zustimmung seiner Frau von daheim fortging, um in ein
Kloster einzutreten. Kirchenrechtlich gesehen war er regelwidrig; er war nicht
einmal ein echter Mönch und schon gar kein Papst. Zwar stimmte es, daß Johannes
XXII. einen Sohn hatte, der als Kardinal sein Leben genoß, doch die Sünde der
Heirat hatte er nie begangen. Angesichts der Wahl zwischen einem häretischen
Papst und einem verheirateten, regelwidrigen Gegenpapst entschied sich Ludwig
für den letzteren. Die Frau Nikolaus’ V. wurde ausbezahlt, und er machte sich
daran, eigene Kardinäle und eine eigene Kurie zu ernennen. Zumindest, sinnierte
der Kaiser, ist mein Papst ein Katholik.
    Am Ende war Ludwig das Spiel
leid. Er ließ Nikolaus in Pisa im Stich und lieferte ihn den kirchlichen
Behörden aus. Es war der 18. Juni 1329. Johannes gelobte, diesem Abtrünnigen
ein gütiger Vater zu sein, was in etwa war, als gelobte ein Sperber einem
Spatzen Liebe. Auf dem Weg nach Avignon wurde Nikolaus auf jede mögliche Weise
mißhandelt. Die Menschen dachten an Johannes’ psalmartigen Fluch gegen ihn:
»Mögen seine Kinder Waisen sein, und seine Frau eine Witwe! Mögen sie von ihrem
Herd getrieben werden und betteln!«
    Als Nikolaus als schlichter
Pier di Corbario in der Provence eintraf, war Johannes allen Voraussagen zum
Trotz wirklich gütig zu ihm. Sein Leben wurde verschont, er bekam Räume im
päpstlichen Palast, wurde allerdings in Hausarrest gehalten. Als er vier Jahre
später starb, wurde er in einem franziskanischen Habit bestattet.
    Johannes XXII. hatte
triumphiert. Nun war es offizielle katholische Lehre: Christus und die Apostel
hatten kein Leben der Armut geführt.
     
    Der Papst war siebenundachtzig
Jahre alt, als er Allerheiligen 1331 für einen neuen Skandal sorgte.
    Es fing an, als ein englischer
Dominikaner vor dem päpstlichen Hof predigte, die Seelen der Gerechten sähen
Gott sofort. Johannes ließ ihm von der Inquisition den Prozeß machen. Um Seiner
Heiligkeit einen Gefallen zu tun, steckten die verdutzten Inquisitoren den
Mönch ins Gefängnis und ließen ihn fast verhungern.
    In der Kirche Notre-Dame des
Doms in Avignon hielt der Papst nun eine Predigt, die eine Sensation auslöste.
Die Seelen der Heiligen, sagte er, schauen Gott nicht vor der Auferstehung des
Fleisches. Sie sind noch sub altare Dei, unter dem Altar Gottes. Erst
beim Jüngsten Gericht werden sie auf den Altar gehoben, um das göttliche Wesen
zu betrachten.
    Niemand in seiner Umgebung
hatte den Mut, ihm zu sagen, daß er Häresie predigte.
    Am 5. Januar 1332 weitete er
seine Theorie auf die Verdammten aus. Bislang, erklärte er seiner erstaunten
Gemeinde, sei noch niemand in der Höile. Erst am Ende der Welt würden die
Verdammten zum Ort der Pein gehen.
    Wieder einmal wurde ein
theologischer Disput zum Politikum. Diesmal wurde der Kaiser vom General der
Franziskaner unterstützt, den Johannes im Zusammenhang mit der Armutsfrage
exkommuniziert hatte, sowie von dem großen franziskanischen Philosophen Wilhelm
von Occam. Zum zweitenmal wurde der Papst zum Ketzer erklärt.
    Wenn die Heiligen und die
Selige Jungfrau nicht im Himmel sind, argumentierte der Kaiser, wie können sie
dann für uns Fürbitte leisten? Warum Schreine von Heiligen besuchen, die nicht
bei Gott im Himmel sind? Und am gezieltesten: Warum sollten die Christen den
Papst für Absolution und Ablässe bezahlen, wenn sie nach ihrem Tod bis zum
Jüngsten Tag auf das Paradies warten müssen?
    Ebenso, wie ein toter Mensch
nicht länger ein Mensch ist, folgerte der Kaiser, ist ein häretischer Papst
nicht länger ein Papst. Der Expapst Johannes XXII. war nun schlicht Jacques von
Cahors.
    Philipp von Valois unterstützte
Ludwig. Er schrieb Johannes, seine Ansichten seien häretisch, und wenn er sie
nicht widerriefe, würde er verbrannt. Die Universität von Paris verlautbarte
als ihre Lehrmeinung, der Papst sei in einem schweren Irrtum und sollte
unverzüglich widerrufen. Johannes, hochmütig wie immer, bot jedem eine reiche
Belohnung, der ihm eine Passage von Augustinus zeigen könnte, die seine Ansicht
stützte. Niemand war dazu in der Lage. Schließlich dämmerte ihm, daß die ganze
Kirche gegen ihn war. Gegen jeden Instinkt schrieb er nach Paris zurück, er
habe nie positiv geleugnet, daß die Heiligen Gott direkt nach dem Tod sehen,
sondern er habe die Frage nur offengelassen. Selbst diese Lüge war nicht gut
genug. Die europäischen Theologen antworteten wie aus einem

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