Gottes erste Diener
nicht
besonders wissenschaftlich. Wo er dunkel war, scheute sich Sixtus nicht,
klärende Worte und Sätze hinzuzufügen. Oft übersetzte er nach Laune. Eine
weitere Eigentümlichkeit war, daß er die Verweise änderte. Ein System von
Kapiteln und Versen war 1555 von Robert Stephanus erarbeitet worden. Es war
nicht vollkommen, doch es war bequem und allgemein in Gebrauch. Sixtus schaffte
es zugunsten seines eigenen Schemas ab. Alle vorherigen Bibeln waren auf einen
Schlag veraltet; alle Bücher in den Schulen mit ihren Textarsenalen mußten neu
gedruckt werden. Er änderte nicht nur die Titel von Psalmen, die viele für
inspiriert hielten, sondern ließ auch — wahrscheinlich aus Achtlosigkeit —
ganze Verse aus.
Nach nur achtzehn Monaten war
seine Arbeit getan. 1590 erschienen die ersten Folioexemplare. »Herrlich«, murmelte
er und bewunderte den schönen Einband. Dann sah er beim ersten Blick viele
Druckfehler, und dann immer mehr. Auch von den Druckern hatte man erwartet, Tag
und Nacht in der Art des Wirbelwindes zu arbeiten.
Um keine Zeit zu verlieren,
begann Sixtus, die Dinge allein zu flicken. Er schrieb mit Tinte Korrekturen
auf winzige Papierstückchen — Quadrate, Rechtecke, Dreiecke — und klebte sie
über die Druckfehler. Er brauchte sechs Monate dazu, und er verpfuschte eine
Menge. Die Veröffentlichung wurde immer wieder aufgeschoben, und der Alptraum
des Papstes ging weiter. Seine Bulle Aeternus Ille war seit langem
fertig. Nie gab es ein autoritativeres Dokument:
Durch
die Fülle Apostolischer Macht bestimmen und erklären Wir, daß diese Ausgabe ... bestätigt durch die Uns
vom Herrn gegebene Autorität, als wahr, rechtmäßig, echt und unangefochten in
allen öffentlichen und privaten Diskussionen, Lesungen, Predigten und
Erklärungen angenommen und gehalten werden soll.
Kein Drucker, Herausgeber oder
Buchhändler durfte um ein Iota von dieser endgültigen und echten Fassung der
lateinischen Bibel abweichen. Jeder, der der Bulle zuwiderhandelte, sollte
exkommuniziert werden, und nur der Papst konnte ihm Absolution erteilen. Auch
weltliche Strafen wurden angedroht.
Mitte April wurden den
Kardinälen und Gesandten endlich Exemplare geliefert. Sie inspizierten sie und
rissen die Augen auf. Vier Monate später, am 27. August, verkündeten die
Glocken des Kapitols, daß der Papst tot war. In jener Nacht kam ein so heftiger
Sturm auf, daß es schien, Sixtus’ scheidender Geist habe die Elemente zu einem
Tobsuchtsanfall aufgepeitscht. Rom war außer sich vor Wonne, aber niemand war
so entzückt wie seine Feinde im Heiligen Kollegium.
Der nächste Papst starb nach
einem zwölftägigen Pontifikat. Gregor XIV. (1590—91) war die Schadensbegrenzung
überlassen. Aber wie? Eine Bibel war mit der Fülle päpstlicher Macht, komplett
mit dem Zubehör der Exkommunikation, der ganzen Kirche aufgezwungen worden —
und sie wimmelte von Fehlern. Die akademische Welt war in Aufruhr; die
Protestanten hatten einen Heidenspaß am Dilemma der römischen Kirche.
Am 11. November 1590 kam
Bellarmine von einer Auslandsmission heim nach Rom. Er war persönlich
erleichtert, daß Sixtus, der ihn hatte indizieren wollen, tot war, fürchtete
aber für das Ansehen des Papsttums. Er schlug dem neuen Papst vor, wie er mit
dieser Zwangslage fertig werden konnte. In seiner Autobiographie verriet
er dann alles.
Einige
Männer, deren Ansichten großes Gewicht hatten, meinten, sie solle öffentlich
verboten werden. Ich fand das nicht, und ich zeigte dem Heiligen Vater, statt
die fragliche Bibelausgabe zu verbieten, wäre es besser, sie so zu korrigieren,
daß sie ohne Schaden für die Ehre von Papst Sixtus veröffentlicht werden
konnte. Dies Ergebnis konnte erreicht werden, indem man unratsame Veränderungen
so rasch wie möglich entfernte und dann das Buch mit Sixtus’ Namen darauf
herausgab, mit einem Vorwort, das sagte, in der Eile und durch die Schuld von
Druckern und anderen hätten sich in die erste Ausgabe Fehler eingeschlichen.
Kurz, Bellarmine riet dem Papst
zu lügen. Einige seiner Bewunderer haben dies widerlegen wollen. Ihre Aufgabe
ist ungeheuer schwer.
Die Alternativen waren klar:
entweder öffentlich zugeben, daß ein Papst in einer entscheidenden
Angelegenheit der Bibel geirrt hatte, oder eine Vertuschungsaktion, deren
Ergebnis unvorhersehbar war. Bellarmine schlug das letztere vor.
Vielleicht wurde er in die
Versuchung geführt, so zu argumentieren, weil das selbstlos war: Er verteidigte
die
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