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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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seiner
geliebten Villa »Il Gioiello« (das Juwel) mit all ihren vertrauten Geräuschen
und Gerüchen zu sein. Und mit ihren vertrauten Anblicken, die vor seinem
inneren Auge vorbeizogen. Wenn er in der Abendkühle hinausging, konnte er sich
unterhalb seiner Villa in Arcetri lebhaft Florenz vorstellen, die babylonisch
hohe, blumenartige Kuppel der Kathedrale aus roten Ziegeln unterhalb von
Giottos Glockenturm, den Palazzo Vecchio mit seinem himmelstürmenden Turm, die
breite Schleife des Flusses Arno. Um sich herum konnte er in der stillen Luft
die Zikaden hören und die aschgrauen Olivenbäume und Weinstöcke riechen; der
Wein, den er trank, war immer das Produkt seiner eigenen Hände.
    Aber kostbarer als diese
toskanische Villa oder selbst Florenz in der sanften Landschaft war der Himmel
droben: Mond und Sterne. War es Stolz, wenn er empfand, daß diese himmlischen
Formen ihm mehr gehörten als den meisten anderen Menschen, ihm mehr gehörten
als selbst Il Gioiello? Zwar war er blind wie Homer, doch er diktierte
weiterhin seinem Sekretär seine wissenschaftlichen Arbeiten. Seltsamerweise
gehörten sie zu seinen besten. Die Inquisition hatte ihm verboten, etwas Neues
zu veröffentlichen oder seine alten Werke neu herauszugeben. Lebenslänglich
gebannt, sagten sie. Aber nur in Italien und nicht für immer. Inquisitoren
waren, auch wenn sie anderer Meinung waren, nicht Gott.
    Außerdem — obwohl er jetzt
blind war, wer konnte ihm die Erinnerung an das nehmen, was seine Augen gesehen
hatten? Diese seine Augen hatten Dinge gesehen, die seit Anbeginn der Welt
verborgen gewesen waren. Sie hatten neue Amerikas am Himmel eröffnet, und eines
Tages, daran zweifelte er nie, würde sein Name so berühmt sein wie — nein,
berühmter als Columbus.
    Galileo Galilei war 1564
geboren worden, in dem Jahr, als Michelangelo starb. Sein Vater Vincenzo, ein
Tuchhändler, stammte aus Florenz, doch sein erstes Kind wurde in Pisa geboren.
Galileo trat als Medizinstudent in die Universität ein, brach das Studium aber
bald ab. Sein brennendes Interesse galt der Mathematik, der reinen und der
angewandten. Später sagte er, die Mathematik gebe ihm Flügel, um sich über die
Welt zu erheben und die Sterne zu sehen. Schlichter ausgedrückt, machte sie ihn
zum Erfinder. Er entwarf ein Instrument zur Bestimmung des Gravitationszentrums
in verschieden geformten Körpern.
    1589 wurde er
Mathematikprofessor in Pisa. Mit seinen Kollegen vertrug er sich nicht gut; er
klagte ständig über sein Gehalt und seine Arbeitsbedingungen. Je nutzloser die
Professoren waren, sagte er, desto höher ihre Gehälter. Er wechselte nach
Padua, wo die Bezahlung geringfügig besser war. Er mußte noch immer Studenten
aufnehmen, um seine Kosten zu decken. Dort blieb er achtzehn Jahre lang.
    1609 war er fünfundvierzig
Jahre alt und hatte nur wenige Veröffentlichungen aufzuweisen. Ein Jahr später
wurde er wegen eines Pamphlets, das er schrieb, zu einem der berühmtesten
Männer der Welt. Kepler pries seinen intellektuellen Mut und nannte ihn den
größten Philosophen seiner Zeit. Sein Schicksal begann sich mit einer Portion
Glück, befruchtet durch Genie, zu wenden. Er hörte von einem optischen Gerät,
einem Fernglas oder occhiale, erfunden von einem Holländer. Sofort
beschloß er, selbst eines zu bauen und es auf der Theorie der Brechung von
Strahlen zu basieren. Er nahm ein Bleirohr und paßte in jedes Ende Glaslinsen
ein. Die Linsen waren auf einer Seite flach und auf der anderen konvex bzw.
konkav. Er setzte die konkave Linse an sein Auge und fand zu seiner
Verblüffung, daß der betrachtete Gegenstand dreimal näher und neunmal größer
erschien. Da er ein erfahrener Glasschleifer war, fertigte er ein weiteres
Fernrohr an, das den Gegenstand sechzigfach vergrößerte. Schließlich, nach
großem Aufwand an Mühe und Geld, holte es einen Gegenstand dreißigmal näher und
vergrößerte ihn tausendfach.
    Sofort wandte er die Erfindung
für einen militärischen Zweck an. In einer öffentlichen Zeremonie übergab er
dem Dogen von Venedig in Gegenwart des Senats ein Teleskop. Die Republik war
entzückt, ein Instrument zu haben, das feindliche Armeen und Flotten entdecken
konnte, lange bevor sie mit bloßem Auge sichtbar waren. Sie bestätigten seine
Professur auf Lebenszeit und verdoppelten sein Gehalt für ein Instrument, das
von nun an jeder Handwerker anfertigen konnte.
    Als nächstes richtete Galilei
sein Teleskop auf den Nachthimmel. Das war der Augenblick, in

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