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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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— was bei einem Papst ungewöhnlich war.
Doch — ein weiteres Zeichen seiner Schwäche—er beichtete auch täglich seine
Sünden. Er lebte in einer kleinen, skrupulösen Welt persönlicher Frömmigkeit.
    In seiner Konstitution Unigenitus von 1713 verurteilte dieser chronisch unsichere Oberhirte zum Beispiel den
französischen Jansenismus in Bausch und Bogen, nachdem er sich mit zwei so
gesinnten Kardinalen beraten hatte. Einige seiner Verurteilungen schienen
vernünftig; andere sollten in künftigen Jahren Gelächter und Verlegenheit
hervorrufen.
    »Das Lesen der Heiligen Schrift
ist für alle Menschen.« Verurteilt. Daß Gottes Wort gebannt wurde, war zunächst
überraschend, paßte aber zur katholischen Haltung seit der Reformation. Einige
Menschen lasen die Bibel auf unkluge Weise. Statt ihnen zu helfen, sie klug zu
lesen, war es ja viel einfacher, ihnen das Bibellesen ganz zu verbieten.
Außerdem machte diese Haltung deutlich, daß Rom über der Bibel steht und Gottes
Autorität für ihre Deutung hat.
    »Christen sollen den Tag des
Herrn heiligen, indem sie fromme Bücher lesen, besonders die Heilige Schrift.«
Verurteilt.
    »Den Christen das Neue
Testament zu entreißen bedeutet, ihnen den Mund Christi zu verschließen.«
Verurteilt.
    »Den Christen das Lesen der
Heiligen Schrift und besonders des Evangeliums zu verbieten, bedeutet, den
Kindern des Lichts den Gebrauch des Lichts zu verbieten und sie mit einer Art
Exkommunikation zu bestrafen.« Verurteilt.
    »Die Furcht vor ungerechter
Exkommunikation sollte uns nicht davon abhalten, unsere Pflicht zu tun.«
Verurteilt. Laut Voltaire bedeutete dies, daß Gott uns befiehlt, nie unsere
Pflicht zu tun, wenn wir Ungerechtigkeit fürchten. Clemens war der Ansicht, es
gebe keine höhere Pflicht als den Gehorsam gegenüber dem Papst. Gehorcht ihm,
und eine Verurteilung von Gott kann nicht in Frage kommen.
    Hatte er sich in seiner
Unsicherheit einmal eine Meinung gebildet, ließ er die Kirche nicht darüber im
ungewissen.
     
    Wir
erklären, verurteilen und verbieten alle und jede dieser Aussagen als falsch,
verfänglich, übelklingend, beleidigend für fromme Ohren, skandalös,
verderblich, unbedacht, schädlich für die Kirche und ihr Tun, nicht nur als
verbrecherisch gegen die Kirche, sondern selbst gegen die weltlichen Mächte,
aufrührerisch, unfromm, gotteslästerlich, häresieverdächtig, mit dem Ruch der
Ketzerei selbst behaftet wie auch ermutigend für Ketzer, Häresien und selbst
Schisma, irrig, oft verdammt und schließlich auch häretisch, da sie
verschiedene Häresien enthalten, die offensichtlich zur Neuerung tendieren.
     
    Der Oberhirte hielt, wie es
scheint, nicht viel von diesen Aussagen.
    Wie die meisten Päpste nahm
Clemens an, daß Diskussion nicht zur Wahrheit führt, sondern zu weiterem
Irrtum, oder bestenfalls zu ein wenig Wahrheit und großem Irrtum. Sie ist das
Risiko nicht wert. Wie das Bibellesen verbietet man besser auch das Diskutieren
wichtiger Fragen ganz. Rom hat gesprochen, und Rom weiß es am besten.
    Zwei Jahre später
veröffentlichte Clemens dann die Bulle Ex illa die, und die Wirkungen
waren weit katastrophaler. Um sie zu verstehen, muß man über eineinhalb
Jahrhunderte zurückblenden.
    1552 war der edelste aller
Jesuiten, Francisco Xavier, auf einer Insel vor dem chinesischen Festland
gestorben. Er hatte sich durch Arbeit ein frühes Grab bereitet. Als er im
Sterben lag, war sein einziges Bedauern, daß jenseits des Wassers ein riesiges
Land voller Heiden war, die ewig in der Hölle braten würden, weil sie nicht
getauft waren.
    Dreißig Jahre später betrat
sein Ordensbruder Matteo Ricci den kaiserlichen Hof in Peking. Wegen seiner
mathematischen Kenntnisse wurde er als »weiser Mann aus dem Westen« geehrt, doch
er war auch ein großer und origineller Missionar. Seine Methode bestand darin,
daß er Chinese wurde, um die Chinesen zu gewinnen. Er und seine jesuitischen
Mitarbeiter begriffen, daß es entscheidend wichtig war, eine Kirche in Harmonie
mit den Traditionen Chinas zu präsentieren. Nirgends auf der Welt gab es
größere Ehrfurcht vor den Eltern, größere Achtung vor rechtmäßiger Autorität
und Traditionen der Ahnen. Als Ricci nach fast dreißig Jahren Arbeit starb,
hinterließ er dreihundert Kirchen, eine in Peking selbst. Ihm folgten andere
Jesuiten — nur diesem Orden hatte Gregor XIII. diese Mission anvertraut.
    1631 durften sich auch
Dominikaner an ihr beteiligen. Recht bald beschuldigte Pater Morales, OP,

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