Gottes erste Diener
Minerva, um zu bekennen: »Ich, Galileo, Sohn des verstorbenen
Vincenzo Galilei, Florentiner, siebzig Jahre alt... muß die falsche Meinung
ganz aufgeben, daß die Sonne der Mittelpunkt der Welt und unbewegt ist.«
Äußerlich schwor er einen
Meineid, indem er seine tiefsten Überzeugungen leugnete. In seinem Herzen muß
er wenigstens über die Erde gesagt haben: »Eppur si muove« — »Und sie bewegt
sich doch«.
Als Galileo im Herzen Roms das
Evangelium berührte und seine »ketzerische Verdorbenheit« bekannte, war es ein
feierlicher Augenblick in der Kirchengeschichte. Nur der Prozeß Jesu vor
Pilatus kann ihn an Bedeutungsschwere übertreffen.
Der Gründer der modernen
Wissenschaft wurde auf Geheiß der römischen Inquisition gezwungen, in
Übereinstimmung mit dem katholischen Glauben zu versichern, die Erde sei das
bewegungslose Zentrum des Weltalls. Ein Gelehrter, der auf jeder Liste der
großen Männer der Welt unter den ersten zwanzig wäre, wurde von einer Gruppe
von Klerikern verurteilt, von denen nicht einer unter der ersten Million wäre.
Kopernikus war auf dem Index,
Galileo von der Inquisition verurteilt, und die katholischen Astronomen mußten
nun wählen, ob sie gute Katholiken oder gute Astronomen sein wollten. Nach
allen normalen Kriterien war die Unbewegtheit der Erde katholische Lehre. Sie
wurde jahrhundertelang von jedem Papst, Bischof und Theologen vertreten. Und
dies nicht nur implizite. Als die Lehre in Frage gestellt wurde, als Kopernikus
und Galileo sie in Zweifel zogen, bestätigten der herrschende Papst und die
Päpste Jahrhunderte nach ihm sie mit der Fülle ihrer Macht. Und sie waren im
Irrtum. Die Erde bewegt sich, wie viele Päpste das auch bestritten und gesagt
haben, es widerspreche der Schrift und dem Glauben. Wenn Katholiken heute
behaupten, es sei nie katholische Lehre gewesen, kann man sich dann irgendeiner
katholischen Lehre sicher sein?
1686 machte Newtons
Gravitationsgesetz es jedem Wissenschaftler unmöglich zu glauben, daß die
riesige Sonne um eine winzige Erde als ihr Zentrum kreist. 1725 wurde dieser
theoretische Beweis von Bradleys gründlicher Beobachtung bestätigt. Es dauerte
weitere hundert Jahre, bis Kopernikus vom Index genommen wurde. Anfang der
1980er Jahre hörte man Johannes Paul II. über die »Rehabilitierung Galileos«
sprechen, obwohl bis heute nichts daraus geworden ist. Nach dreieinhalb
Jahrhunderten hat es Rom nicht eilig mit der Entschuldigung.
Rom weigerte sich, die
Dokumente zur Affäre Galileo zu veröffentlichen. Dann verlegte Napoleon die
vatikanischen Archive in einer gigantischen Operation nach Paris. Als sie
später zurückgegeben wurden, fehlten die Dokumente über diese Affäre. Die
angestrengtesten Nachforschungen brachten sie nicht zum Vorschein. Kritiker der
Kirche nahmen an, der große Mann sei gefoltert worden. Ohne jede Warnung oder
Erklärung tauchten die Dokumente dann wieder auf. Aus ihnen ging hervor, daß
man Galileo gedroht, ihn aber nicht gefoltert hatte. Auch seine Haft war nicht
so streng. Nach zehn Prozeßtagen durfte er in ein Haus zurückkehren, das den
Medici gehörte. Schließlich durfte er sich in seine eigene Villa in Arcetri
zurückziehen. Dies war eine milde Behandlung, wenn man bedenkt, daß Urban VIII.
Bigamisten zu lebenslangem Galeerendienst verurteilte.
Was Galileo am meisten verletzte,
war die Schande. Sie war aus keinem ihm verständlichen Grund über ihn
hereingebrochen. Er sah sich als frommen Katholiken. Wie konnte irgend jemand
darauf bestehen, die Genesis wörtlich zu nehmen, wenn es überwältigende Gründe
dafür gab, daß sie ein Mythos war! Er war überzeugt, daß wissenschaftliche
Probleme nicht von einer klerikalen Polizeimacht gelöst werden konnten. Was da
gegen ihn angetreten war, war in seinen Augen nur Ignoranz, Bosheit und
Unfrommheit in der Pose christlicher Lehre und Tugend. Engstirnige vatikanische
Kleriker hatten ihn gedemütigt, aber sie konnten den Fortschritt der
Wissenschaft nicht aufhalten. Sein Fall war typisch: Die Wahrheit wurde von der
Macht erdrückt, das Genie von kleinlicher Bürokratie zum Schweigen gebracht. Das
zeugte von Roms Angst und Haß gegen den forschenden Geist, die sich in den
kommenden Jahrhunderten immer wieder zeigen sollten. Der Rückwärtsmarsch der
Kirche in die Zukunft bedeutete, daß ihr Krieg gegen Wissenschaft und
Fortschritt weiterging. Sie bekriegte Freiheit und Demokratie in und nach der
Französischen Revolution. Sie bekriegte Darwin und Freud,
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