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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Bibelgelehrsamkeit
und Versuche, die Welt in ihren eigenen Gesetzen zu verstehen, frei von
»Eingriffen von außen«. Heute bekriegt sie Geburtenkontrolle und
Gleichberechtigung der Frau. Bei ausnahmslos jeder Gelegenheit verweist die
katholische Kirche auf der höchsten Ebene auf die Bibel und das Naturrecht,
wenn sie — mit den besten Absichten — versucht, den Weg der Welt nach vorn zu
versperren. Es ist eine betrübliche Tatsache, daß man in den letzten vier
Jahrhunderten schwerlich eine Gelegenheit finden würde, bei der Rom einen
entscheidenden Fortschritt des menschlichen Geistes mit uneingeschränkter
Freude begrüßt hätte. Jeder Theologe, der heute zensiert wird, kann sich
wenigstens mit der Tatsache trösten, daß er nicht so hart behandelt wird wie
der Vater der modernen Wissenschaft.
     
    Nach acht Jahren Hausarrest
starb Galileo Galilei im Januar 1642, im Geburtsjahr Newtons. Der Großherzog
von Florenz wollte über seinem Grab in der Kirche Santa Croce, neben dem Grab
Michelangelos, ein Denkmal aufstellen. Doch Papst Urban VII. war noch nicht
fertig mit seinem Freund. Er warnte den Herzog, Galileo habe hartnäckig eine
Lehre vertreten, die der Schrift entgegenstand. Er würde deshalb jedes Denkmal
für ihn als persönliche Beleidigung seiner Autorität verstehen. So kam es, daß
der Leib des größten Wissenschaftlers seiner Zeit fast hundert Jahre lang in
einem Keller unter dem Glockenturm von Santa Croce begraben lag. Urban hatte in
fast allem unrecht, aber wenigstens in dem Grund, den er dafür angab, daß er
ihm die gebührenden letzten Ehren verweigerte, hatte er recht: Galileo hatte
durch seine Sünden den »größten Skandal der Christenheit« ausgelöst.
     
     
    Der große Fehler Clemens’ XI.
     
    Clemens XI. hielt hof in seinem
Palast auf dem Monte Cavallo. Es war kühler dort als im
Vatikan, die Luft weniger verseucht. Am Mittwoch der Karwoche 1715 zog er mit
allem Pomp zum Petersdom.
    Am nächsten Tag bestieg Clemens
nach der Messe im Petersdom seine sedia und ließ sich zur Loggia tragen.
Die Menge füllte den Petersplatz und quoll in jede Seitenstraße. Sobald er
erschien, dröhnten Kesselpauken und schmetterten Trompeten. Im tiefen
Schweigen, das darauf folgte, verlas ein Kardinal die Gründonnerstagsbulle der
Exkommunikation gegen alle Ketzer, Schismatiker, Heiden, Mittelmeerpiraten und
alle, die dem Heiligen Vater nicht Gehorsam leisteten oder nicht ihre Steuern
zahlten, wenn sie fällig waren.
    Diese Bulle, In coena
Domini, stammte in groben Zügen von 1372. Pius V. sagte 1568, sie solle
ewiges Gesetz im Christentum bleiben, und sie wurde von einem Papst nach dem
anderen bestätigt, bis sie schließlich unter Clemens XIV. (1769-74) ohne
Erklärung fallengelassen wurde. Irgendeine Erklärung wäre schon angebracht
gewesen, denn die Bulle drückte die Hochblüte der päpstlichen Häresien aus: daß
der Papst die gesamte christliche Welt beherrscht, in religiöser und weltlicher
Hinsicht. Dieser Glaube ist nie ausdrücklich vom Vatikan aufgegeben worden.
    Während der Lesung der Bulle
hielt der Papst eine brennende Fackel, sein langes, hageres, glattrasiertes
Gesicht war voller Melancholie. Als die Lesung vorbei war, hoben seine acht
Träger ihn in seinem Stuhl empor, und mit lauter Stimme exkommunizierte er
praktisch die ganze Welt, bevor er seine Fackel über die Brüstung warf. Sie
sprühte Funken und wirbelte in der Luft; dann traf sie die Menge unten — ein
Zeichen der Rache der Kirche an ihren Feinden.
    Clemens XI. war ein
beispielhafter Donnerer. Doch seine endlosen Anathemas, die seine Zeitgenossen
für große Heiligkeit hielten, verbargen eine furchtbare Unsicherheit. Bei
seiner Wahl fünfzehn Jahre zuvor, am 20. November 1700, war Gian Francisco
Albani einundfünfzig Jahre alt gewesen. Er war erst seit zwei Jahren ordiniert
und fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen; deshalb lehnte er die Krone
zunächst ab. Erst als vier gelehrte Ordensleute ihm sagten, es sei Widerstand
gegen Gottes offensichtlichen Willen, die einstimmige Entscheidung des Konklave
nicht anzunehmen, gab er nach. Seltsamerweise nahm er ihre Entscheidung sofort
an.
    Diese vier Ordensmänner sollten
niemals erfahren, daß buchstäblich das ganze Antlitz des Katholizismus
vielleicht anders geworden wäre, wenn sie Kardinal Albani anders beraten
hätten.
     
    Clemens schien eine gute Wahl
für einen Oberhirten: diszipliniert, gelehrt und keusch; er schlief wenig, aß
wenig und las sogar täglich die Messe

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