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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Renaissance des
Papsttums selbst. Im und durch dies absolutistischste aller Ämter war er in
Berührung mit der ganzen Welt, weil er nie die Berührung mit dem Evangelium verlor.
Er bewies, daß es möglich war, ein Heiliger zu sein und seine Arbeit trotzdem
gut zu machen.
    Es gab Geschichten zuhauf. Die
Wahrheit war besser als viele Legenden. Er verließ den Vatikan am Fest St.
Stephan 1958, um zum Gefängnis Regina Coeli zu gehen. »Ihr könnt mich nicht
besuchen«, sagte er den Insassen, »also bin ich zu euch gekommen.« Ein Junge
schrieb ihm, er könne sich nicht entscheiden, ob er Papst oder Polizist werden
solle. Johannes antwortete ihm: »Eine Ausbildung bei der Polizei wäre sicherer
für dich. Papst kann jeder werden, wie du sehen kannst, denn ich bin es
geworden.« Er plante seine Spaziergänge in den Gärten nicht sehr sorgfältig, so
daß Besucher auf der Kuppel des Petersdoms ohne Vorwarnung weggeschickt wurden,
weil der Papst sich in den Gärten ergehe und von der Kuppel aus zu sehen sei.
    »Aber was ist daran so
schlimm?« fragte Johannes einen verzweifelten Beamten der Basilika.
    »Sie werden Sie sehen,
Heiligkeit.«
    »Warum nicht?« fragte Papst
Johannes ehrlich verwundert. »Ich tue doch nichts Unrechtes, oder?«
    Eines Tages brachte ihm
Monsignore Helm, ein Schweizer und sein früherer Sekretär in Paris, ein neues
Wappen, das er für Seine Heiligkeit entworfen hatte. Es zeigte einen
Markuslöwen, aufgerichtet mit ausgestreckten Klauen. Johannes sah es sich eine
Weile an. »Glauben Sie nicht«, fragte er sanft, »daß er zu wild für mich ist?«
Ein weiterer Blick. »Ein bißchen germanisch vielleicht?« Lächelnd fügte er
hinzu: »Er hätte zu Gregor VII. gepaßt, finden Sie nicht auch? Glauben Sie, Sie
könnten ihn... menschlicher machen?«
    Helm ging zurück ans
Zeichenbrett. Er brachte einen venezianischen Löwen, der, wie Papst Johannes im
April 1963 in einer Audienz sagte, »niemandem Angst machen würde«.
    Es gibt ein Bild, das Papst
Johannes vollkommen verkörpert. Er spricht mit einem kleinen Mädchen in einem
weißen Erstkommunionskleid, das zu seiner weißen Soutane paßt. Ihre Köpfe sind
sehr dicht beieinander, und sie sind ganz ineinander versunken. Dies kleine
Mädchen, das wußte er, starb an Leukämie; er selbst sollte bald an Krebs
sterben. Der Papst blickt dieses Kind mit tiefer Achtung an, einer Ehrfurcht
von seltener Schönheit. Es ist, als schaute der Papst in das Gesicht Gottes.
    Der Welt gefiel, was sie sah.
Bei Johannes gab es einen Vorrang der Liebe, eine Väterlichkeit, auf die selbst
Protestanten neidisch waren. Was war mit so einem Menschen auf dem Papstthron
nicht möglich? Schon sprach man davon, daß die Strömung der Reformation sich zu
seinen Füßen umkehrte. Die Orthodoxen, bittere Kritiker des päpstlichen
Absolutismus, hatten nichts gegen Roms Primat apostolischer Liebe, und hier war
ein Mann, der sie vollkommen verkörperte. Die Zeit der vatikanischen
Klagelieder war vorbei; die Musik, die von Rom ausging, war mehr wie
Strawinskis Frühlingsritus.
    Wie unterschied sich Johannes
XXIII. von Pius X.? Beide waren von bäuerlicher Herkunft. Beide waren zutiefst
heilige, selbstlose, gotterfüllte Männer, deren Privatleben keinen Makel
aufwies. Sie unterschieden sich in der Auffassung vom Papstamt und daher ihrer
Rolle als Oberhirten. Pius X., ein Mann von großer Demut, verlangte für sich
als Papst einen blinden Gehorsam, eine sklavische Unterwerfung, die er für sich
als Giuseppe Sarto nicht einmal im Traum verlangt hätte. Selbst als er Bischof und
später Patriarch von Venedig war, fühlte er sich verpflichtet, auf seine
Autorität als Vertreter des Papstes und Christi zu pochen. Es ist klar, daß er
nie vergaß, wie die Stadtregierung von Venedig ihm bei seiner Amtsübernahme die
kalte Schulter gezeigt hatte. Sie mißachteten nicht ihn, sondern Christus in
ihm. Pius X. war ebenso feindselig gegen jeden, den er für einen Feind des
Evangeliums Christi hielt; daher seine Härte gegen die »Modernisten« Tyrrell
und Loisy.
    Johannes XXIII. war viel
entspannter. Er hatte keine Ängste irgendwelcher Art, außer davor, nicht wie
Christus zu handeln. In ihm gab es keine Trennung zwischen dem einfachen
Christen und dem Papst. Auch glaubte er nicht wie Pius X., er als Papst müsse
alle Probleme der Welt lösen. Er war kein Außerirdischer, kein Höchster
Theologe. Er war nichts als ein Guter Hirte. Was er bald nach der Wahl hierzu
sagte, gehört vielleicht zum

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