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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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daß die Kirche auf die Propheten des Untergangs nicht hören
sollte. Die Kirche mußte sich radikal erneuern, und ohne Angst. Der Kalte Krieg
der Kirchen war, was Rom betraf, vorüber. Es sollte kein Anathema mehr geben;
statt dessen eine Rückkehr zur Frohbotschaft des Meisters, Jesus Christus. Die
Anwesenheit nichtkatholischer Beobachter in der Aula war ein Zeichen für die
Umkehr der Kirche. Johannes hatte gemeint, es würde den Bischöfen schwerfallen,
in Gegenwart angesehener Besucher und Besucherinnen bei Belanglosigkeiten zu
bleiben. Einige seiner Berater murrten schon »communicatio in sacris«, eine
Phrase, die bedeutete, daß der Papst verbotene Gemeinschaft mit Ketzern pflege.
     
    Die Vorstellung des aggiornamento fiel einigen der versammelten Kirchenfürsten nicht leicht. Die Kardinäle
Spellman von New York, McIntyre von Los Angeles und Godfrey von Westminster
sahen die Notwendigkeit einer derartigen Erneuerung nicht ein. Der
Katholizismus hatte Oberwasser. Jeden Tag wurden Schulen und Kirchen
fertiggestellt, und vom ersten Tag an waren sie brechend voll. Konvertiten
kamen in Scharen, um eine Zuflucht vor der Permissivität des modernen Lebens zu
finden. Gebraucht wurde mehr vom Gleichen, nicht Neues und Unerprobtes. Und was
sollte diese Unterscheidung zwischen althergebrachten Wahrheiten und ihrem
Ausdruck? War es nicht die Stärke der Kirche, daß die alten Ausdrücke immer
galten und daß so eine Kontinuität zwischen heute und jedem anderen Tag auf dem
langen Marsch der Kirche durch die Geschichte entstand?
    Dieser reaktionäre Geist
herrschte in der Kurie vor. Die ursprünglichen Entwürfe der Konzilsdokumente
stammten von der Kurie. Ihre Sprache war legalistisch und konfliktorientiert,
in der Tradition der Gegenreformation. Eine wohlbegründete Geschichte erzählt,
daß Papst Johannes einen alten Freund, einen Priester, im Vatikan empfing. Er
hielt einen imaginären Zollstock an die jüngste Gabe der Kurie. »Schau, fünf
Zoll Vorschriften, sieben Zoll Verurteilungen.« Bei der ersten Sitzung der
wichtigsten Konzilskommission, die für die Lehre zuständig war, sprach die alte
Garde, angeführt von dem stiernackigen Kardinal Ottaviani, dem Leiter des
Heiligen Offiziums, nacheinander fast zwei Stunden lang. Sie erklärten den
gewählten Mitgliedern, warum nichts an den Vorbereitungsdokumenten geändert
werden sollte. Es sei »geboten«, gegen die »häretischen Tendenzen« fest zu
bleiben. Laut Bernhard Häring, einem anwesenden Moraltheologen, hielt Kardinal
Léger von Montreal es schließlich nicht mehr aus. »Sie werden die Arbeit allein
machen müssen«, sagte er, »wenn Ihre Einstellung ist, Sie sind orthodox und
alle anderen sind häretisch. Auf Wiedersehen.«
    Die erste Niederlage der alten
Garde war dem Mut zweier Kardinäle zu verdanken, Frings von Köln und Liénart
von Lille; bei der ersten öffentlichen Sitzung protestierten sie gegen die
Zusammensetzung der Kommissionen, deren Mitglieder alle von der Kurie ernannt
waren. Ihr Protest wurde von der Mehrheit des Konzils unterstützt. Johannes,
der über das Hausfernsehen zusah, muß sein Mona-Lisa-Lächeln der Zustimmung
gelächelt haben. Schon war eine wichtige Lektion gelernt. Die Kurie, die seit
so langer Zeit über Lehre und Politik entschieden hatte, repräsentierte nicht
im geringsten die Kirche. Es war eine weise Forderung des Konzils von Konstanz
gewesen, daß häufige Konzilien die Kirche informieren, lehren und leiten
sollten, eine Forderung, die jahrhundertelang von Päpsten und Kurien
hintertrieben worden war. Roms zaristisch-zentralistische Bürokratie war gegen
die wahre Katholizität der Kirche. Viele, die beim Zweiten Vatikanischen Konzil
dabeiwaren, begannen zum erstenmal, das zu sehen.
    So faßte das Konzil sich ein
Herz, in der Gewißheit, daß es den Geist auf seiner Seite hatte, während es
dringende Fragen der Gegenwart erörterte. Für den Augenblick war Papst Johannes
zufrieden.
    Die Zusammensetzung der
Kommissionen wurde verändert, um das neue Bewußtsein der Bischöfe von ihrer
Autorität zu berücksichtigen. Kommissionen begannen, die liberaleren Ideen zu
überdenken, die die Redner des Konzils zum Ausdruck brachten. Doch es gab einen
weiteren Vorstoß des Papstes, der in den Reihen der Kurie eine Art Panik
auslöste. Er setzte eine kleine Gruppe oder Kommission ein, um ihn und das
Konzil zur Geburtenkontrolle zu beraten.
    Warum tut er das? war die
Frage, die von kurialen Lippen am meisten zu hören war. Der

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