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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Johannes als einen
ungelehrten Mann sieht, sollte bedenken, daß er außer seiner Muttersprache
fließend Latein, Griechisch, Französisch und Bulgarisch beherrschte. Er sprach
nicht wenig Spanisch, Türkisch und Rumänisch. Er las Englisch, Deutsch und
Russisch. Er hatte eine lange, erfolgreiche Karriere auf dem Balkan, bevor er
bei Kriegsende als Nuntius nach Paris gesandt wurde. Sein Ziel war es, die
Kirche dort nach ihrem unrühmlichen Verhalten während der Nazi-Besatzung, als
einige Bischöfe mit dem Feind kollaboriert hatten, wieder respektabel zu
machen. Sein Werk der Versöhnung war bewundernswert.
    Als Dekan des diplomatischen
Corps war es seine Pflicht, es bei offiziellen Anlässen zu repräsentieren.
Seine Reden sind aufgezeichnet. Sie bezeugen einen ungewöhnlichen Geist der
Vertrautheit und Entspanntheit. Das Thema, das er immer wieder hervorhob, war
Freiheit und Achtung der Rechte aller Menschen. In einer Rede an Präsident
Auriol bezog er sich 1947 auf das Neue Testament als Magna Charta der
Zivilisation, die uns groß gemacht hat. »Selig sind die Sanftmütigen, denn sie
werden das Land erben; selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Kinder
Gottes heißen.«
    In einer anderen
Neujahrsansprache an den Präsidenten sprach er von
     
    Freiheit,
Freiheit in allen Bereichen des Lebens ...
    Unter
den Erinnerungen an meine Kindheit ist mir die an einen mächtigen Ausspruch
Ciceros teuer, den wir bei unseren ersten Lateinübungen lernen mußten; er ist
ein Ausdruck römischer Weisheit: Legum servi sumus, ut liberi esse possumus.
Wir sind Sklaven des Gesetzes, damit wir frei sein können.
     
    Inzwischen — es war 1947 —
schrieb er schon in privaten Briefen, seine Gesundheit sei zwar gut, aber »ich
werde alt, und man sieht mir das Alter an«. Er war unverwechselbar der Papst
Johannes, wie die Geschichte ihn überliefern wird. Alles an ihm außer seiner
Körpergröße war groß: Augen, Ohren, Mund, Nase, Hals, Herz. Vor allem sein
Herz. Sein Gesicht war wie ein Puzzle aus geborgten Stücken; sein Herz war
eines von Gottes Meisterstücken.
    Obwohl er ein Mann von Welt
war, verlor er nie die Sichtweise eines Kindes. Seine Fähigkeiten kamen am
besten zur Geltung, wenn er zu jungen Menschen sprach. Als er 1946 eine Rede
vor einem Jugendkongreß in Angers hielt, offenbarte er seine eigene
Grundeinstellung gegenüber dem Leben:
     
    Euer
Leben, Kinder, ist auf die Zukunft ausgerichtet. Ich bitte euch: Verschwendet
keine Zeit, indem ihr die Gegenwart anprangert und nach der Vergangenheit
seufzt, die kein Interesse für euch hat, außer insofern sie euch nützliche
Lektionen und Warnungen bieten kann, nicht die Fehler zu wiederholen, die
verhängnisvoll für Menschen und Völker waren und sind.
     
    Wie ein Kind war Angelo
Roncalli ganz auf die Zukunft ausgerichtet. Das war das unschätzbare Geschenk,
das er dem Papsttum machen sollte. Dies und seine völlige Furchtlosigkeit. In
seiner Abschiedsrede an Präsident Auriol sagte er: »Wenn wir uns einen festen
Glauben bewahren, einen unbesiegbaren Optimismus und Herzen, die ein Gespür
haben für die aufrichtigen Appelle an menschliche und christliche Bruderschaft,
dann haben wir alle das Recht, furchtlos zu sein und auf die Hilfe Gottes zu
vertrauen.« Liebe, Freundlichkeit, Optimismus, dies waren Tugenden, die er in
reichem Maße hatte. Und seine Kollegen erkannten das ebenso wie seine Gegner,
die sich weigerten, ihn Feind zu nennen. Roncalli war außerhalb solcher
Kategorien. Bei dem Abschiedsbankett, das ihm zu Ehren in Paris gegeben wurde,
gab Edouard Herriot, der Führer der Radikalen Partei, sein eigenes Zeugnis.
»Wenn alle Priester wären wie Nuntius Roncalli«, sagte er, »würde es keine
Antiklerikalen mehr geben.«
    Es war Zeit, sein neues Amt als
Patriarch von Venedig anzutreten. In einer Zeremonie im Elyséepalast ließ sich
sein Freund, Präsident Auriol, sein althergebrachtes Privileg nicht nehmen, dem
Mann, den er zu verehren gelernt hatte, den roten Hut zu verleihen. In seiner
Rede sagte Roncalli, in Venedig würde immer ein Licht für seine Freunde
brennen. »Vorsicht«, sagte der Vizedekan, der kanadische General Vanier, in
seiner Antwort. »Wir sind alle Ihre Freunde, und wenn wir nach Venedig gehen,
werden wir als erstes nach der brennenden Lampe vor dem Haus des Patriarchen
schauen. Wir wissen, wir brauchen nur zu klopfen, und die Tür wird geöffnet
werden.«
    Nach einem kurzen Aufenthalt in
Rom zu einer Audienz bei Pius XII. nahm er

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