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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Standpunkt der
Kirche war klar: Alle Handlungen zur Empfängnisverhütung sind Todsünde. Keine
Umstände, wie extrem sie auch seien, können aus etwas wesentlich Bösem etwas
Gutes und Moralisches machen. Damit war das Thema abgeschlossen, fanden sie
alle. Es ist Unrecht, immer Unrecht, schlimmes Unrecht. Pius IX. hatte dies
1930 in Casti connubii gesagt und damit Jahrhunderte unerschütterlicher
katholischer Tradition bestätigt. Was hatte Johannes XXIII. vor? Die Kritiker
des Papstes waren sogar noch wütender, als durchsickerte, daß die Kommission
mehrheitlich aus Laien bestand. Was wußten denn sie über Empfängnisverhütung?
Dies war eine rein theologische Angelegenheit, und die Theologen waren alles
andere als uneinig. Spezialisierte Laien konnten den Papst über
Bevölkerungswachstum, die Einstellungen feindlicher Regierungen und dergleichen
informieren. Doch es sollte von Anfang an kristallklar sein, daß es nicht die
geringste Möglichkeit eines Wandels gab. Dies war das ewige Gesetz Gottes.
     
    Kaum hatte das Konzil seine
Arbeit aufgenommen, da wurde ein Mann zur prophetischen Gestalt. Er war
vierundachtzig Jahre alt und ehrwürdig. Seine Tage auf Erden waren gezählt; er
sollte tatsächlich bald nach dem Ende des Konzils sterben. Selbst seine
Kleidung hob ihn von den meisten anderen Prälaten ab, denn er war ein Patriarch
der Ostkirche. Maximos IV. Saigh von Antiochia mit seinen langen, dunklen
Gewändern, rundem Hut und großem, grauem Bart fürchtete niemanden außer dem
Herrn. Er gehörte zu den Melkiten, der griechisch-katholischen Kirche von
Antiochia, die sich im frühen achtzehnten Jahrhundert dem Heiligen Stuhl
unterstellt hatte. Ihr niederer Klerus durfte vor der Ordination heiraten. Sie
hat Mitglieder in Syrien, Ägypten und Galiläa sowie weitverstreute Gemeinden in
den USA.
    Papst Johannes muß an jenem 28.
Oktober wie gebannt auf den Bildschirm geschaut haben, als der Patriarch alle
damit verblüffte, daß er nicht Latein sprach, sondern Französisch. Der
Moderator des Tages war Kardinal Spellman, der 1932 eine siebenjährige
Dienstzeit in Rom abgeschlossen hatte. Er war der erste Amerikaner, der
offiziell dem Staatssekretariat zugeordnet wurde. Spellman war überrumpelt,
denn er überhörte die Herausforderung ganz am Anfang der Rede von Maximos IV.:
»Eure Seligkeiten.« Papst Johannes muß darüber gekichert haben. Maximos ehrte
zuerst, wie er das für richtig hielt, seine Mitpatriarchen. Für ihn waren
Kardinale eine geringere Rasse von Klerikern, die erst neuerdings zu Ansehen
gelangt war. Patriarchen waren einst in ihrer Bedeutung gleich nach dem Papst
gekommen; sie hatten an den frühen Konzilien der ungeteilten Kirche
teilgenommen. Wo waren in Nizäa Kardinale? Selbst das Vierte lateranische
Konzil hatte 1215 den Vorrang der Patriarchen festgestellt, und war Maximos
nicht Patriarch des ersten, von Petrus selbst gegründeten Bistums?
    Doch warum Französisch? Es war
Maximos’ Art zu betonen, daß Latein nicht die Sprache der Kirche ist, die er
vertrat. Darum zog er es vor, eine katholischere Sprache zu sprechen. Durch den
Gebrauch des Französischen lancierte Maximos einen verdeckten Angriff gegen das
enge Denken der Kurialen, die das Konzil organisiert hatten. Dann kritisierte
er ein vorläufiges Dokument; es behandle die Privilegien des Hauptes der Kirche
»auf so isolierte Weise, daß der Rest des Leibes im Vergleich dazu zwergenhaft
erscheint«. Als Nichtlateiner protestierte er gegen diesen Versuch Roms, sich
seinem Volk aufzuzwingen.
    Dann kam er auf den Ton zu
sprechen, in dem die Schemata von der Kurie entworfen waren. Viel zu
legalistisch, lebensfremd. Die Darstellung des gegenwärtigen Glaubens sei
vollkommen falsch. Das Mittelalter sei vorbei, die Menschheit erwachsen
geworden. Es sei fruchtlos, Gesetze ohne Begründung durchzusetzen.
    Dann meinte der Patriarch, die
katholische Morallehre müsse durch und durch erneuert werden.
     
    Nehmen
Sie zum Beispiel den Katechismus. Wir machen es den Gläubigen zur Pflicht, bei
Strafe der Todsünde freitags abstinent zu sein und sonntags der Messe
beizuwohnen. Ist das vernünftig, und wieviele Katholiken glauben daran? Was die
Nichtgläubigen angeht, so bedauern sie uns nur.
     
    Die Kommentare des Patriarchen
waren zwar einfach, aber auf die Konzilsväter hatten sie eine dramatische
Wirkung. Die meisten unter ihnen hatten seit ihrer Kindheit den Verdacht, daß
Kirchenrechtler die Bergpredigt umgeschrieben und einen Gott

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