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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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gezeichnet hatten,
der mit Argusaugen über die Fehler der Menschen wachte. Kann man sich wirklich
vorstellen, daß Jesus sagt, es sei Todsünde, des ewigen Feuers würdig, freitags
Fleisch zu essen und sonntags die Messe auszulassen?
    Alles, fuhr Maximos fort, muß
nach der Liebe ausgerichtet werden. Nicht Befehle, sondern durch Liebe
inspirierte Richtlinien. »Eine Mutter möchte ihr Kind nicht mit einem Stock
züchtigen müssen.«
    Papst Johannes, der nach seinen
Jahren als Nuntius in Paris fließend Französisch sprach, muß dieser Rede mit
nachdrücklichem Nicken gefolgt sein. Jeder wußte, daß katholische Kinder über
sieben, »dem Alter des Verstandes«, mit einer Kost der Angst ernährt wurden.
Den Kleinen Jesu wurden detaillierte Regeln aufgezwungen, verbunden mit
Sanktionen, die Christus weiß vor Wut gemacht hätten. Liebe war in dem
schwarzen Labyrinth des Gesetzes schwer zu finden. Selbst die Heilige
Kommunion, das Empfangen Christi in der Eucharistie, war nicht verschont geblieben.
Die Katholiken durften vor der Kommunion weder essen noch trinken. Doch was
stellte »Essen und Trinken« dar? Bedeutete ein Stück Bonbon, das man vom Abend
zuvor noch im Mund hatte, »essen«? War es »trinken«, wenn man beim Zähneputzen
einen Tropfen Wasser schluckte? Als hätten sie nie gehört, wie Jesus die
Kleinlichen anprangerte, die endlos über das Waschen von Tassen und Tellern
diskutierten, fragten Moraltheologen: »Bricht das Kauen eines Streichholzes
oder das Verschlucken einer Fliege das Fasten vor der Kommunion?«
    Diese Kasuistik der schlimmsten
Sorte wurde auf jedes Detail der Moral angewandt. Sie lähmte das Leben des
Geistes. Gott wurde nicht vermittelt als ein Gott der Liebe, der in Jesu Leben,
Tod und Auferstehung Fleisch geworden war, sondern als ein legalistischer
Richter, der versuchte, seine Geschöpfe zu erwischen, und sie, wenn sie dem
Buchstaben nicht entsprachen, aus sehr geringen Anlässen in die Hölle schickte.
    Die Hölle war weit lebendiger
als der Himmel, der kaum besser schien als ein mittelalterliches Kloster. Es
gab kein Essen dort und keinen Sex. Wozu man einen auferstandenen Leib
brauchte, war unklar. Was tat man im Himmel, außer sich in hochintellektuellen
Übungen zu ergehen und ununterbrochen das göttliche Wesen zu schauen, als mache
der Tod alle versessen auf Theologie?
    Je länger das Konzil dauerte,
desto mehr Konservative fanden sich in Rückzugsgefechten wieder. Sie mußten an
allen Fronten zurückweichen. Die Listen der Irrtümer von Pius IX. und Lamentabili von Pius X. wurden vom Konzil beiseite gefegt, als wären sie nie geschrieben
worden. Sie wußten, daß Johannes XXIII. einen Fehler begangen hatte.
Standpunkte, die sie als geheiligte und unveränderliche Lehre vertraten, wurden
von riesigen Mehrheiten der Konzilsväter fröhlich aufgegeben.
    Das Konzil erwies sich als
lehrreich für die meisten Bischöfe. Ideen, die sie heimlich in ihren Herzen als
vielleicht exzentrisch gehegt hatten, wurden offen geäußert und zunehmend
akzeptiert. Diese Lektion war entscheidend: Der Genius der Kirche war nicht
etwa eine unwandelbare Institution, sondern er wandelte sich mit den Zeiten.
Die Kirche hat Traditionen so gern, sagte ein Bischof, daß sie ständig neue
macht.
    Doch eine Sorge kam immer
wieder in privaten Diskussionen zur Sprache und schlug sich schließlich in den
Schlußdokumenten nieder. Wegen des Mythos, es würden ewige Wahrheiten gelehrt,
wollte das Konzil leugnen, es änderte sich etwas, gerade als sich etwas zum
Besseren änderte. Es wurde von »Evolution« oder »Entwicklung« der Lehre geredet,
was in manchen Fällen stimmte, in anderen eindeutig falsch war. Die Metapher
erklärte den Wandel nicht, sondern verdunkelte nur, was tatsächlich geschah.
Eine Eichel entwickelt sich »wunderbarerweise« zu einer Eiche, nicht zu einem
Boot. Wie ein katholischer Autor es ausdrückte: »Die Kirche hat mit dem Prinzip
absoluter Tolerierung begonnen; geendet hat sie mit dem Scheiterhaufen.« War
das echte »Entwicklung«? Ähnlich sprachen alle Päpste des neunzehnten
Jahrhunderts von Religionsfreiheit als Wahnsinn, Atheismus und Gotteslästerung.
War es »Entwicklung«, wenn das Zweite Vatikanische Konzil Religionsfreiheit zu
den Menschenrechten zählen wollte?
    Außerdem sollte in der nahen
Zukunft ein weiterer Mangel sichtbar werden. Statt die Verfassung der Kirche
ganz neu zu denken, nahmen die Konzilsväter Vaticanum I als gegeben und
flickten ihre eigenen Zusätze

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