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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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aus.
    Dies mißverstehen heißt, ein
Ideal der Ehe zu Scheidungsregeln zu machen. Ist der Fehler einmal gemacht,
beginnen die Kirchenrechtler zu fragen: Was ist erforderlich zu einer
rechtmäßig gültigen Ehe? Was ist ein gültiger Dispens? Und so fort. Ob die
Kirche Scheidung zulassen kann oder nicht, und wenn ja, unter welchen
Umständen, sind Dinge, die Jesus nicht im geringsten interessierten. Er war ein
Prophet, kein Kirchenrechtler.
    Das Merkwürdige ist: Die Kirche
behauptet, daß Jesus in der Bergpredigt eine allgemeine und ausnahmslos gültige
Regel lehrte. Diese Regel müsse die Kirche bewahren. Doch nicht ein Element
dieser Regel ist im Text zu finden.
    Erstens wurde die Bergpredigt
von Jesus, einem Juden, vor seinen Mitjuden gehalten. Sie waren nicht getauft,
und wahrscheinlich wurde keiner je getauft. Ihnen, heißt es, habe Jesus »die
Regel« gegeben, daß Ehen getaufter Christen, wenn sie einmal vollzogen sind,
nicht aufgelöst werden können. Mit anderen Worten, man nimmt an, daß Jesus die
Scheidung unter allen Umständen eben der Gruppe von Menschen verboten hat, der
die Päpste die Scheidung regulär gewährten. Es gibt Berichte von Martin V.
(1417—31), der Juden erlaubte, sich nach ihrem Gesetz zu scheiden und wieder zu
verheiraten. Tatsächlich durften Juden im ganzen Kirchenstaat sich mit
Billigung der Päpste scheiden und wieder verheiraten. Die Päpste hatten die
Macht; sie hätten es mit einem Federstrich verbieten können — aber sie taten es
nicht. In heutiger Zeit haben die Päpste sich das Recht zugebilligt, die Ehen
von Juden aufzulösen, die zum Katholizismus konvertieren wollen. Dies bedeutet,
daß die Päpste, obwohl sie das Ideal Jesu als strenges Gesetz deuten, sich
selbst Ausnahmen davon einräumen. Das war im Licht der Geschichte eine
merkwürdige Entwicklung.
     
     
    Frühkirchliche Lehre zur
Scheidung
     
    Die Kirche entstand in der Zeit
des Römischen Reiches. Die Römer hatten eine liberale
Regelung für Scheidungen. Cicero trennte sich von seiner Frau, weil er eine
zusätzliche Mitgift brauchte. Augustus zwang Livias Ehemann, sich von ihr zu
scheiden, als sie schwanger war, damit er sie selbst heiraten konnte. Ehefrauen
waren einem römischen Schriftsteller zufolge wie Schuhe: Sie zwickten da, wo
andere es nicht sehen konnten. Wenn einem die Schuhe weh tun, zieht man ein
anderes Paar an. Der hl. Hieronymus berichtet, daß im Rom seiner Zeit eine Frau
zum dreiundzwanzigsten Mal heiratete. Sie war die einundzwanzigste Frau ihres
Mannes. Offensichtlich war die Ehe nichts als eine lockere Liäson, die fast
beliebig zu lösen war.
    Dagegen bestand die Kirche
darauf, daß Geschlechtsakte verboten sind, wenn sie nicht im Kontext einer
dauerhaften Beziehung stattfinden. Als das Christentum sich etablierte, wurden
Ehen in einer besonderen religiösen Zeremonie gesegnet. Bis zum zehnten
Jahrhundert war der kirchliche Segen jedoch nicht vorgeschrieben. Die
natürliche Verbindung von Mann und Frau kam nun unter die Kontrolle des Klerus.
Doch erst beim Konzil von Trient 1563 wurde die Form der Eheschließung
endgültig festgelegt. Von dann an war eine Ehe nicht mehr gültig, wenn das Paar
nicht vor dem Gemeindepriester (oder seinem Beauftragten) und zwei Zeugen sein
Einverständnis kundtat. Selbst dies wurde in der Kirche erst mit der
Veröffentlichung von Ne temere im Jahr 1908 allgemein üblich. In den
frühen Jahrhunderten galt die Ehe bei Christen, ob sie von der Kirche gesegnet
war oder nicht, ob der Staat sie anerkannte oder nicht, als unauflöslich. »Was
Gott verbunden hat, soll kein Mensch trennen.« Das Zivilrecht ließ Scheidungen
noch lange Zeit zu. Versuche von Kaisern wie Konstantin, sie einzuschränken,
schlugen fehl. Das Recht auf Scheidung blieb im Justinianischen Kodex, der das
Reich beherrschte, ungeschmälert. So gingen Kirche und Staat jahrhundertelang
getrennte Wege. Die Kirche erlaubte höchstens einem verlassenen Ehepartner die
Scheidung und Wiederheirat, der Staat hingegen erlaubte es jedem.
    Karl der Große als Haupt der
Christenheit tat sein Bestes, die beiden Kodizes zu harmonisieren. Selbst
geschieden, erklärte er Scheidung zum Verbrechen, bedrohte sie aber klugerweise
nicht mit einer Strafe. Die Kirche exkommunizierte Geschiedene manchmal, jedoch
bestimmt niemand so Wichtigen wie Konstantin oder Karl den Großen.
    Erst im zwölften Jahrhundert,
als Europa eine Christenheit war, taten sich Kirche und Staat im Verbot der
Scheidung zusammen. Die Kirche

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