Gottes erste Diener
ihre Kinder. Warum zieht die Kirche es vor, daß
Kinder ohne Familie aufwachsen? Freilich halten die Katholiken einen Wandel
nicht für wahrscheinlich.
Wie im Fall Humanae vitae gezeigt wurde, ändert sich die Kirche nie. Ihre Stärke ist es, daß sie sich
nicht ändert. Sie demonstriert eine Beharrlichkeit, eine Kompromißlosigkeit in
grundlegenden Prinzipien der Moral. Wenn man sie in die Enge triebe, würden
viele Katholiken, die für Scheidung sind, vielleicht zustimmen, daß die Kirche,
wenn sie mit der Zeit ginge, moralische Autorität und viele Mitglieder
verlieren würde. Sie tröstet ihre Kinder damit, daß sie ewige Wahrheiten lehrt,
statt ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. Die Wahrheiten mögen nicht mehr
geglaubt werden, die Moral nicht länger akzeptiert, aber sie sind da, und die
Katholiken sind im großen und ganzen zufrieden damit, daß der Papst die Werte
hochhält, als Ideale, die man anstreben kann. Es ist, als seien Glaubensinhalte
sehr wichtig, selbst wenn sie unwahr sind.
Dies Buch hat schon einige der
vielen Themen aufgezeigt, in denen die Kirche sich gewandelt hat, während sie
gleichzeitig verkündete, der Wandel sei unmöglich. Der Genius der Kirche ist
Wandel in gerade den Momenten, wo sie am lautesten »Kein Wandel« schreit.
Sogenannte »Traditionen« erweisen sich bei der Überprüfung oft als nur eine
Generation alt. Wie John T. Noonan in seinem gelehrten Buch Power to
Dissolve gezeigt hat, hat sich die Kirche entgegen der verbreiteten
Auffassung in der Frage der Scheidung mehr verändert als in den meisten anderen
Fragen. Dies überrascht kaum angesichts der Komplexität menschlichen Lebens und
der Vielfalt gesellschaftlicher Erfahrung. Wenn die Kirche sich nur nicht
hinter dem Mythos verschanzte, sie erlaubte nie die Scheidung, wenn die Wahrheit
fast das Gegenteil ist.
Sie erlaubt die Scheidung — sie
zieht den Ausdruck »Auflösung des ehelichen Bundes« vor — in jedem Fall außer
einem: der vollzogenen Ehe zwischen zwei Christen. Der Papst ist nicht etwa
völlig gegen Scheidung in jeder Form; er meint vielmehr, er sei die einzige
Person auf der Welt, die sie gewähren kann. Pius XI. sagte, nicht einmal
Regierungen dürfe man diese göttliche Macht anvertrauen. Sie können Gesetze
erlassen, richten, verhaften, ja hinrichten, aber Scheidung kann man ihnen nicht
anvertrauen. Man muß der verblüffenden Tatsache ins Auge sehen, daß das
Papsttum Pionier der Scheidung in Europa war, wie es Pionier der Folter war.
Nicht Regierungen, sondern das Papsttum hat im sechzehnten Jahrhundert die
Scheidung in der Christenheit wieder eingeführt, nachdem sie jahrhundertelang,
während Kirchenrecht auch an zivilen Gerichten angewendet wurde, ungesetzlich
gewesen war.
Bonifaz VIII. behauptete, alle
Geschöpfe seien den römischen Oberhirten untergeben. Dies ist von den Päpsten
bis ins gegenwärtige Jahrhundert auf alle Ehen ausgedehnt worden. Selbst die
Ehen von Ungläubigen, Juden, Mohammedanern. Sie alle unterstehen dem römischen
Papst, und er kann sie zum Heil der Seelen auflösen. In der Praxis heißt dies
zum Vorteil der römischen Kirche. Zu jeder Zeit gibt es Millionen von Ehen, die
an Verlassen, Grausamkeit, Unverträglichkeit, Kindesmißhandlung,
Frauenmißhandlung, Untreue zerbrochen sind — sie finden sich in obskuren
Städtchen und Dörfern in Zaire und Schottland, Finnland und Kanada. Doch nur
ein Mensch auf der Welt, ein ältlicher Eheloser, der in einem Palast im Vatikan
residiert, ist von Gott ermächtigt, sie aufzulösen. Dies tut er nie, wenn nicht
irgendein katholisches Interesse darin liegt; in einem solchen Fall handelt er
als Stellvertreter Gottes, um Erlösung zu bringen. Dies strapaziert die
Leichtgläubigkeit ein wenig. Der natürliche Bund ist so stark — »unauflöslich«,
sagt Rom —, daß die Gesetzgebung in den USA oder England, in China oder der
Sowjetunion zu seiner Trennung ein schweres Unrecht ist. Doch in den Händen des
römischen Papstes kann dies von Natur aus unlösbare Band ruhig zerschnitten
werden, und die Partner dürfen wieder heiraten.
In den 1940er und 1950er Jahren
dehnte Pius XII. seine Macht der Auflösung von Ehen auf ein Maß aus, das selbst
für Christen eine Generation zuvor undenkbar gewesen wäre. Alle frühen
Konzilien der Kirche hätten ihn wegen Häresie abgesetzt.
Da der Papst durchaus nicht
gegen die Scheidung ist, sondern vielmehr alle Arten der Ehe außer einer auflösen
kann, kann er diese dann nicht auch auflösen?
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