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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
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Wunsch, päpstliche
Muskeln zu zeigen, war es schiere Ignoranz? — tat es einfach.
    Zum Paulinischen Privileg war
nun das Petrinische Privileg hinzugekommen. Das letztere war so breit angelegt,
daß es das erstere schlicht überflüssig machte. Die Kirchenrechtler mit ihrem
wundervollen Flair für Hyporthesen sagten dann, der hl. Paulus müsse sich mit
dem hl. Petrus abgestimmt haben. Petrus müsse Paulus’ Privileg ratifiziert
haben, denn es war nur Teil einer viel weiter reichenden Macht zur Auflösung
von Ehen, die er, Petrus, und seine päpstlichen Nachfolger haben. Man fragt
sich, ob Paul sich das schriftlich geben ließ.
    Pius XI. hatte sich wie viele
Päpste vor ihm zur Quadratur des Kreises fähig gezeigt. Er hatte gelöst, was er
selbst als unauflöslich bezeichnete, er hatte das Ewige zeitlich gemacht,
einfach »zum Heil der Seelen«, sehr großzügig ausgelegt. Marsh war schließlich
kein Katholik; der Schriftsatz zur Auflösung seiner ersten Ehe verlangte kein
Versprechen, daß er konvertierte. Das »Heil«, das der Papst im Sinn hatte, war
das seiner zweiten (katholischen) Frau.
     
    Vier Jahre nach Casti
connubii billigte Pius XI. »Normen für die Auflösung von Ehen um des
Glaubens willen durch die höchste Autorität des Papstes«. Die Bedingungen für
eine päpstliche Scheidung waren einfach. Eine Partei war ungetauft, und das
ursprüngliche Paar hatte nach der Taufe des Nichtchristen keinen
Geschlechtsverkehr gehabt. Unter diesen Bedingungen war der Papst bereit,
stapelweise Scheidungsfälle positiv zu bescheiden, die ein kurialer Berater ihm
vorlegte.
    Nicht, daß Rom jetzt reinen
Tisch machte. Die Normen wurden nicht publik gemacht. Nur Eingeweihte konnten
von ihnen profitieren. Man mußte in bester vatikanischer Verschwörermanier über
die Sache flüstern. Die wohlbegründete Furcht des Papstes war, daß er weit
weniger gegen Scheidung eingestellt wirken könnte, als man nach dem
Donnergrollen seiner Enzyklika denken sollte. Zudem wollte Rom gern den Schein
wahren, der Heilige Vater gewähre die Scheidung als Vergünstigung (oder
Privileg). Vergünstigungen müssen nicht gewährt werden. Die landläufige Meinung,
in Rom lasse sich jeder schmieren, ist grundfalsch. Viel schlimmer als
gelegentliche Mauscheleien und Bestechungen ist ein System von Gefälligkeiten,
die nur durch Augenzwinkern und Schulterklopfen zu haben sind. Tausend
Gefälligkeiten sind kein Ersatz für ein gerechtes Gesetz. Man hat auch gesagt,
die neuen Normen Pius’ XI. hätten nur deshalb funktioniert, weil es
zivilrechtliche Scheidungen schon gab. Die Christenheit gab es nicht mehr. Nach
achthundert Jahren gingen kirchliche und zivile Ehegesetze getrennte Wege,
abgesehen von Ländern wie Italien, wo Mussolini und Pius XI. eine
funktionierende Beziehung hatten. Ehen wurden in ständig steigender Zahl vor
Zivilgerichten geschieden. Trotz ihrer Beteuerung des Gegenteils profitierte
die Kirche davon.
    In der Frage der Scheidung
hatte der Staat die »Schmutzarbeit« für die Kirche getan. Er hatte die
Scheidung respektabel gemacht. Er hatte sich auch um rechtliche Einzelheiten
wie Eigentum und Erbschaft gekümmert. Die Kirche brauchte nie die Initiative zu
ergreifen oder eine Scheidung als erste Instanz zu gewähren. Sie schien einfach
die sakramentalen Scheidungsfolgen zu regeln, ohne Scheidungen zu ermutigen
oder zu billigen. Auch hierin legte die Kirche ihr gewöhnliches Anpassungsgenie
an den Tag; allerdings war auch ein Element der Heuchelei dabei. Statt dem
Staat zu danken, beschuldigten die Päpste ohne Unterschied die Regierungen, sie
täten das Werk des Teufels. Im Vatikan gewährte der Papst still und leise
weiter seine eigenen Scheidungen.
    Nach den Normen von 1934 wurde
das Tempo von Scheidung und Wiederheirat in der Kirche spürbar schneller. In
Rom wuchs die Überzeugung, daß die Macht des Papstes so weit reichte wie die
des Allmächtigen. Alle Völker, Christen wie Nichtchristen, waren ihm in Sachen
Ehe untertan.
     
    Pius XII. bestätigte dies zwei
Jahre nach seiner Wahl. Im Oktober 1941 hielt er eine Ansprache vor der Rota,
dem römischen Ehegericht. Über die normale, vollzogene christliche Ehe halte er
seinen väterlichen Schutz, sagte er. Jede andere Form der Ehe sei »in sich
unauflöslich«. Meinte er, niemand könne sie auflösen? Nicht ganz. Er konnte.
War er nicht Stellvertreter Christi auf Erden?
    Dies Thema entwickelte er 1942
in der Enzyklika Mystici corporis. Er zitierte die Bulle Unam sanctam

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