Gottes erste Diener
letzten
Verpflichtung in einer Welt der Wandlungen und Schatten. Er ist lebendiges
Zeichen des Ewigen inmitten der Zeit; er ist ein Leuchtturm in einer dunklen
Welt. Wenn die katholische Morallehre hart ist — und Johannes Paul wäre der
erste, das einzuräumen —, braucht sie Priester von dauerhaftem moralischem
Schrot und Korn, die sie vertreten. Nur Ehelose können das, weil nur sie volles
Zeugnis für die Kreuzigung Christi ablegen, einen freiwilligen Akt der
Selbstopferung. Andere leiden; Priester leiden freiwillig. Wenn Ehepaare
Schwierigkeiten bekommen, wenn sie versucht sind, empfängnisverhütende Mittel
zu verwenden, die Scheidungsklage einreichen, abtreiben, können sie sich an den
Priester wenden und von ihm lernen, daß sie ihre Anfechtungen mit Gottes Gnade
überwinden können. Trotz Johannes Pauls harter Politik hat die Zahl der
Priester, die den Dienst verlassen, nicht abgenommen, nur die Zahl der Anträge
auf Dispens ist zurückgegangen. Nicht alle Anträge werden abgelehnt, aber
Dispens ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Um sich dafür zu qualifizieren,
müssen die Priester schon vor einer Weile das Amt verlassen haben und in einer
Situation sein, die es ihnen praktisch unmöglich macht zurückzukehren. Sie
mögen Frau und Kinder haben, einen Haushalt und häusliche Verpflichtungen. Rom
wird sie dispensieren, aber es ist typisch für römische Prozeduren, daß der
Antragsteller nie weiß, wann seine Freistellung kommen wird. Der Vatikan hat
anscheinend nichts dagegen, daß der Priester und die Frau, die er liebt, zuerst
in einem Standesamt heiraten und hoffen müssen, daß der Papst es ihnen eines
Tages ermöglichen wird, ihre Verbindung in den Augen Gottes und der Kirche zu
regeln. Einige Katholiken meinen, das sei ein geringer Preis für die
Aufrechterhaltung des Zölibats in einer permissiven Zeit. Andere meinen,
Johannes Paul habe das Problem schlicht unter den Teppich gekehrt. Priester,
die um der Kirche willen nicht mehr im Amt sein sollten und nie darin hätten
sein sollen, bleiben Priester. Es ist unmöglich, dies Phänomen zu beziffern,
außer aufgrund der vergangenen Geschichte; doch die Antragsflut unter Paul VI.
legt nahe, daß die römische Kirche eine zwar noch teilweise verdeckte, aber
dennoch monumentale Krise erlebt.
Das ist nichts Neues. Die
katholische Kirche ist fast immer über der Frage des Zölibats in der Krise
gewesen.
Katholiken nehmen an, alle
Päpste seien wie Paul VI. und Johannes Paul II. Vorbilder der Rechtschaffenheit
gewesen, und ebenso nehmen sie an, die meisten Priester seien keusch gewesen wie
ihr Gemeindepfarrer heute. Tatsache ist, daß priesterliche Ehelosigkeit kaum je
funktioniert hat. In den Augen einiger Historiker hat sie wahrscheinlich mehr
moralischen Schaden angerichtet als jede andere Institution des Westens
einschließlich der Prostitution. Denn gegenüber Straßenmädchen ist jeder auf
der Hut, während Diener des Evangeliums selbst dann Achtung und persönliches
Vertrauen genießen, wenn sie ungläubig sind. Der Beweis des Schadens, den das
Zölibat anrichtet, kommt nicht von bigotten, antikatholischen Quellen; er
enthält vielmehr Dokumente von Päpsten und Katholiken sowie Briefe heiliger
Reformer. Sie weisen alle in eine Richtung: Das priesterliche Zölibat ist nicht
etwa eine Leuchte in einer bösen Welt, sondern meistens ein Makel auf dem Namen
des Christentums.
Paul VI. ging in seiner
Enzyklika Sacerdotalis caelibatus vom 20. Juni 1967 recht weit in der
Anerkennung dieser Tatsache. Es kann gut sein, daß seine Kenntnis von der
Geschichte des Zölibats ihn überzeugte, daß es eine Katastrophe war, Priester
im Amt zu halten, wenn sie seine Forderungen nicht erfüllen konnten. Die
Enzyklika beginnt mit einem Satz, der von fast jeder Seite der
Kirchengeschichte widerlegt wird: »Das priesterliche Zölibat wird von der
Kirche seit Jahrhunderten als strahlendes Juwel bewahrt.« Doch er kommt der
Wahrheit näher, wenn er in Abschnitt 36 von den Päpsten sagt:
Sie
haben das Zölibat des Klerus in aufeinanderfolgenden Epochen der Geschichte
gefördert, verteidigt und wiederhergestellt, selbst wenn sie auf Widerstand vom
Klerus selbst stießen und wenn die Praktiken einer dekadenten Gesellschaft die
heroischen Forderungen der lügend nicht begünstigten. Die Pflicht zur
Ehelosigkeit wurde dann vom Heiligen ökumenischen Konzil von Trient [im
sechzehnten Jahrhundert] feierlich sanktioniert und schließlich in den Kodex
des kanonischen
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