Gottes erste Diener
Rechts einbezogen [1917].
Man muß schon zwischen den
Zeilen lesen, um zu sehen, daß der Klerus mit der Disziplin des Zölibats nie
glücklich gewesen ist (»Widerstand vom Klerus«) und nicht nach ihr leben konnte
(»die Praktiken einer dekadenten Gesellschaft die heroischen Forderungen der
Tugend nicht begünstigten«), Warum mußten die Päpste das Zölibat ständig
wiederherstellen (»in aufeinanderfolgenden Epochen der Geschichte«), außer weil
der Klerus sich unfähig oder unwillig zeigte, seine Forderungen zu erfüllen? Im
Licht der Vergangenheit waren jene Tausende von Priestern, die Papst Paul um
Dispens baten, schlicht ehrlicher als ihre Vorgänger, indem sie akzeptierten,
daß das Zölibat nichts für sie war. Es war viel besser, das einzugestehen und
den Dienst zu quittieren, als sich selbst und obendrein der Kirche zu schaden,
indem sie vorgaben, keusch zu leben, wenn sie es nicht konnten.
Die Geschichte des Zölibats ist
eine so wüste Lektüre, daß nicht einmal der »schärfste« Roman von heute es mit
ihr aufnehmen kann.
Die klassische Darstellung
wurde 1867 von Lea geschrieben. Lecky, der europäische Experte für diese Zeit,
sagte, kein Werk über das Mittelalter seit dem von Dean Milman sei so
eindrucksvoll gewesen. »Dies Thema«, schrieb Lecky, »ist kürzlich mit großer
Gelehrtheit und bewundernswerter Unparteilichkeit von einem amerikanischen
Autor, Herrn Henry C. Lea, in seiner History of Sacerdotal Celibacy (Philadelphia 1867) behandelt worden, gewiß einem der wertvollsten Werke, die
Amerika hervorgebracht hat.«
Merkwürdigerweise wußten weder
Lecky noch Lea, daß das Thema schon von zwei deutschen Brüdern, J. A. und A.
Theiner, behandelt worden war. Ihr Buch, Die Einführung, war 1828
erschienen und 1845 neu aufgelegt worden. Der Ältere, Anton, wurde Protestant;
der Jüngere, Augustin, wurde der jüngste nichtitalienische Präfekt des
vatikanischen Archivs. Ihr Werk war weniger objektiv als Leas meisterliche
Abhandlung, bestätigt diese jedoch. Ihr Ziel war es, »die schrecklichen
Sittenlosigkeiten« anzuprangern, »die mit dem Zölibat einhergegangen sind, nach
dem Zeugnis von Aussagen durch alle Jahrhunderte, und die es immer noch mit
sich bringt«. Wie G. G. Coulton schrieb: »Kein Mediävist kann dafür
entschuldigt werden, Lea und die Theiners nicht zu kennen.«
Die lange Reihe der Päpste, die
vor und manchmal nach der Übernahme des Stuhles Petri lockere Sitten pflegten,
legt nahe, daß auch die Masse der Priester das Zölibat nicht hochhielt. Wie wir
in Teil I feststellten, würde eine Liste von Päpsten, die ihm zuwiderhandelten,
unter anderen Benedikt V. umfassen, Sergius III., Johannes X., Johannes XII.,
Benedikt VII., Benedikt IX., Clemens V., Clemens VI., »Johannes XXIII.«, Sixtus
IV., Pius II., Innozenz VIII., Alexander VI., Julius II., Paul III., Julius
III., Gregor XIII., Gregor XV., Urban VIII., Innozenz X. und Alexander VII.
Wenn Päpste fünfzehnjährige Mätressen hatten, Inzest und jede Art sexueller
Perversionen begingen, zahllose Kinder hatten, im Akt des Ehebruchs ermordet
wurden, kann es keinen Zweifel geben, daß das Zölibat im gesamten Klerus mehr
gebrochen als gehalten wurde. Um es mit einem alten katholischen Wort zu sagen:
Warum päpstlicher sein als der Papst?
Eine warnende Geschichte
Der Zölibatäre ist
verpflichtet, dem befriedigendsten seiner natürlichen
Rechte zu entsagen: zu heiraten und eigene Kinder zu haben. Niemand wußte das
besser als ein frommer katholischer Laie, der Anfang des fünfzehnten
Jahrhunderts in Siena geboren wurde. Er war ein herausragender Schriftsteller
und sollte wie Petrarca Poeta laureatus werden; auch war er ein geschickter
Diplomat. Sein Name war Aeneas Sylvius Piccolomini. Bei einer Mission kam er
vom Pfad der Diplomatie ab und zeugte mit einem schottischen Mädchen einen
Knaben, der jedoch zu seiner tiefen Trauer als Säugling starb. Später wurde er
vom letzten Gegenpapst, Felix IV., auf einen Botschaftsposten geschickt.
Piccolomini war Anfang Februar 1442 in Straßburg. Er war an die Vierzig, doch
wie er selbst, objektiv wie immer, es ausdrückte, »er wurde heiß und entbrannte
für eine Frau dort«. Die Frau war aus der Bretagne und hieß Elizabeth. Sie war
verheiratet und hatte eine fünfjährige Tochter bei sich. Ihr Mann hatte sie aus
geschäftlichen Gründen kurz allein gelassen.
Piccolomini fand sie geistreich
und charmant, und sie sprach in seiner Muttersprache Toskanisch mit ihm.
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